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Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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kulturellen Wurzeln waren sich sehr ähnlich.
    Alfred ruhte sich derweil nicht auf seinen Lorbeeren aus: Die Friedenszeiten nach der Einigung mit den Dänen nutzte er zum Bau einer Flotte und befestigter Wehranlagen und Städte. Vor allem diesen vorausschauenden Maßnahmen war es zu verdanken, dass die neuen dänischen Piraten, die England in den 890er Jahren regelmäßig besuchten, wenig Erfolg hatten. Doch er tat noch mehr: Durch Diplomatie und geschickte Heiratspolitik brachte er das gesamte angelsächsische England unter seine Vorherrschaft und wurde bald als »König der Angelsachsen« anerkannt. In diesem Sinne ist es richtig, Alfred als den ersten König von England zu bezeichnen. Er gab seinem Land neue Gesetze und sah es als die Pflicht eines Königs an, für das Wohlergehen seines Volkes Sorge zu tragen. Zu diesem Zweck startete er eine Bildungsinitiative und ließ historische, philosophische und politische Schriften aus dem Lateinischen ins Angelsächsische übersetzen. Manche glauben, dass er diese Übersetzungen teilweise sogar selbst anfertigte. Alfred wusste, dass viele Priester im Land nicht genug Latein konnten, um zum Beispiel die Cura Pastoralis Gregors des Großen im Original lesen zu können, doch er wollte, dass dieses Werk, welches er in Fragen der Seelsorge, aber auch der Verwaltungspraxis für so wichtig hielt, jedem Geistlichen zugänglich sei. Also ließ er die Übersetzung zigmal abschreiben (rund fünfhundert Jahre trennen uns noch von der Erfindungder Druckerpresse) und ins ganze Land verschicken. Seine Zeitgenossen mögen über so neumodische Ideen die Köpfe geschüttelt haben. Heute gilt Alfred als Visionär, der seinem Land nicht nur eine kulturelle Blütezeit bescherte, sondern auch ungewöhnlich lange Friedenszeiten und zumindest die Anfänge einer nationalen Identität.
    Unvergessen: Statue Alfreds des Großen in Winchester
    Er starb 899 mit rund fünfzig Jahren. Sein Sohn und dessen Nachfolger brachten den dänischen Nordosten Englands nach und nach unter ihre Kontrolle und erweiterten den angelsächsischen Machtbereich bis an die schottische Grenze, doch Ruhe hatten sie selten. Der norwegische König Erik »Blutaxt« kam beispielsweise in den 950ern nach England, um seinem Namen dort alle Ehre zu machen.
    Während der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts schienen Raubzüge gegen England in Dänemark und Norwegen jedoch vorübergehend aus der Mode gekommen zu sein, und diese Ruhephase ermöglichte eine neuerliche kulturelle Blütezeit in England, die vor allem vom Benediktinerorden getragen wurde und neben vielen Klostergründungen auch einen Großteil der angelsächsischen Literatur hervorbrachte, die heute noch erhalten ist. Doch diesem beinah goldenen Zeitalter folgte ein sehr finsteres, und das bringt uns zum ersten Unglücksraben der englischen Geschichte: König Æthelred, dem die Chronisten den vielsagenden Beinamen »the Unready« verpassten, was aber nicht »der Unfertige« heißt, sondern eher »der Unberatene« oder auch »der Ratlose«.
    Nach dem Tod seines Vaters wurde erst einmal Æthelreds älterer Halbbruder Edward König, der die Unterstützung der Kirche, vor allem des mächtigen Erzbischofs von Canterbury, genoss. Doch gab es eine Gruppe unzufriedener Adliger, die für die neuen Klostergründungen Land hatten hergeben müssen und von der gewachsenen Macht der Priester und Mönche gar nicht so entzückt waren. Diese Unzufriedenen wurden von Æthelreds Mutter angeführt. (Sie wollen wissen, wie sie hieß? Bitte, auf eigene Gefahr: Ihr Name war Ælfthryth.) Ausgerechnetauf einem ihrer Güter wurde der oben genannte Edward – ihr Stiefsohn – ermordet, und natürlich wurden die böse Stiefmutter und ihr Sohn Æthelred, obwohl der erst zehn oder zwölf Jahre alt war, für diese Bluttat verantwortlich gemacht.
    Trotzdem folgte Æthelred 978 seinem Halbbruder Edward (der den viel hübscheren Beinamen »der Märtyrer« bekam) auf den Thron. Dieser stand in Winchester, welches so etwas wie die Hauptstadt des damaligen Englands war, und der Bischof von Winchester war ein besonnener Mann, der den kleinen König unter seine Fittiche nahm und ihm beizubringen versuchte, was ein Herrscher können und wissen muss. So hätte vielleicht doch noch alles gut werden können, aber der Bischof starb schon 984. Da war Æthelred sechzehn oder achtzehn. Alt genug nach damaliger Sitte, um allein zu herrschen, aber natürlich noch zu jung, um gute von schlechten Ratgebern unterscheiden

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