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von Schirach

von Schirach

Titel: von Schirach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schuld
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ihn. Sie
schreien Mohatit, Mohatit.«
    »Sie heißen doch Kalkmann«, sagte ich.
    »Ja, aber bei den Geheimdiensten heiße ich Mohatit. Auch in der Stasiakte
heiße ich so. Das weiß doch jeder. Sie wollen mein Geheimnis, das große
Geheimnis.«
    Kalkmann beugte sich vor.
    »Ich bin beim Optiker gewesen. Wegen meiner neuen Brille, verstehen Sie.
Sie haben mich betäubt, durch das Auge. Ich bin genau einen Tag später aus dem
Brillenladen rausgekommen, genau 24 Stunden später.«
    Er sah mich an.
    »Sie glauben mir nicht. Ja, aber ich kann's beweisen. Hier«, sagte er und
zog ein kleines Notizbuch hervor, »hier, schauen Sie. Hier steht alles.«
    In dem Notizbuch stand in großen Druckbuchstaben: 26.04., 15 Uhr Eintritt ins Labor, 27.04., 16 Uhr Austritt aus Labor.
Kalkmann klappte das Buch wieder zu und sah mich triumphierend an.
    »So, jetzt haben Sie es gesehen. Das ist der Beweis. Der Brillenladen
gehört der CIA und dem BND. Sie haben mich betäubt und in den Keller gebracht.
Dort ist ein großes Labor, so ein James-Bond-Labor aus Edelstahl. Sie haben
mich 24 Stunden
lang operiert. Da haben sie es gemacht.« Er lehnte sich zurück.
    »Was gemacht?«, fragte ich.
    Kalkmann sah sich um. Er flüsterte jetzt. »Die Kamera. Sie haben in mein
linkes Auge eine Kamera eingebaut. Hinter die Linse. Ja, und jetzt sehen sie
alles, was ich sehe. Es ist perfekt. Die Geheimdienste können jetzt alles
sehen, was Mohatit sieht«, sagte er. Und dann sagte er laut: »Aber das
Geheimnis werden sie nicht bekommen.«
     
    Kalkmann wollte, dass ich den BND anzeige. Und natürlich die CIA. Und den
früheren amerikanischen Präsidenten Reagan, auf den alles zurückgehe. Als ich
sagte, Reagan sei tot, antwortete er: »Das glauben Sie. In Wirklichkeit lebt er
bei Helmut Kohl auf dem Dachboden.«
     
    Er kam jeden Morgen und erzählte, was er erlebt habe. Irgendwann wurde es
mir zu viel. Ich sagte ihm, dass er Hilfe brauche. Es war merkwürdig, er sah es
sofort ein. Ich rief den psychiatrischen Notdienst an und fragte, ob ich mit
einem Patienten vorbeikommen könne. Wir fuhren mit dem Taxi. Wir mussten in
das Haus für den Maßregelvollzug, weil die anderen Räume gerade gestrichen
wurden. Hinter uns schlossen sich die Pan zerglastüren, wir kamen immer tiefer in das Gebäude, ein Pfleger führte
uns. Endlich saßen wir in einem Vorzimmer. Ein junger Arzt, den ich nicht
kannte, bat uns in seinen Praxisraum. Wir saßen vor einem kleinen Schreibtisch
auf den Besucherstühlen. Ich wollte gerade die Sache erklären, als Kalkmann
sagte:
    »Guten Tag, ich heiße Ferdinand von
Schirach, ich bin Rechtsanwalt.« Er zeigte auf mich: »Ich bringe Ihnen hier
Herrn Kalkmann. Ich vermute, er hat einen schweren Defekt.«

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