von Schirach
wieder
trinken. Als er zur Arbeit ging, putzte sie die ganze Wohnung. Sie tat an
diesem Tag nichts anderes. Sie waren verheiratet, so etwas kommt vor, dachte
sie, ein Ausrutscher. Sie sprachen nicht mehr darüber.
Als Alexandra schwanger wurde, war alles wie früher. Er brachte am
Wochenende Blumen mit, er legte sich an ihren Bauch und versuchte, das Baby zu
hören. Er streichelte sie. Als sie nach der Geburt aus dem Krankenhaus
zurückkam, hatte er aufgeräumt. Er hatte das Kinderzimmer gelb gestrichen und
einen Wickeltisch gekauft. Ihre Schwiegermutter hatte neue Sachen für das Kind
hingelegt. Es gab eine Girlande aus Pappblumen über der Tür.
Das Mädchen wurde getauft, er hatte es Chantal nennen wollen, aber
schließlich einigten sie sich auf Saskia. Alexandra war glücklich.
Seit der Geburt schlief er nicht mehr mit ihr. Sie hatte es noch ein
paarmal versucht, aber er wollte nicht mehr. Sie fühlte sich ein wenig einsam,
aber sie hatte das Kind, und sie gewöhnte sich daran. Eine Freundin hatte
gesagt, das passiere manchmal, wenn der Mann bei der Geburt dabei gewesen
sei. Es würde sich wieder legen. Sie wusste nicht, ob das stimmte.
Nach einigen Jahren wurde es schwerer, die Autoverkäufe waren schleppend,
sie mussten die Wohnung abbezahlen. Es ging irgendwie, aber er trank mehr als
früher. Manchmal roch sie abends ein fremdes Parfüm, sie sagte nichts dazu.
Ihre Freundinnen hatten mehr Probleme mit ihren Männern, die meisten waren
wieder geschieden.
An Weihnachten begann es. Sie hatte den Tisch gedeckt, weiße Decke, das
Silberbesteck der Großmutter. Saskia war fünf Jahre alt, sie sagte, wohin die
Kugeln an den Weihnachtsbaum gehängt werden sollten. Um halb sieben zündete
sie die Kerzen an. Als sie heruntergebrannt waren, war er immer noch nicht zu
Hause. Sie aßen alleine, nach dem Essen brachte sie Saskia ins Bett. Sie las
noch aus dem neuen Buch vor, bis das Mädchen eingeschlafen war. Sie hatte mit
ihren Eltern und mit seinen Eltern telefoniert, und alle hatten sich frohe
Weihnachten gewünscht, eine normale Familie. Nur als sie nach ihm gefragt
hatten, hatte Alexandra gesagt, er wäre noch schnell zur Tankstelle gefahren,
weil sie keine Streichhölzer für die Kerzen im Haus hätten.
Er machte es stumm. Er hatte früher geboxt und wusste, wie man schlägt, um
wehzutun. Obwohl er betrunken war, traf er präzise. Er schlug systematisch und
hart, sie standen in der Wohnküche zwischen der amerikanischen Frühstückstheke
und dem Kühlschrank. Er schlug ihr nicht ins Gesicht. Auf der Kühlschranktür klebten
Kinderbilder und Prilblumen. Sie biss sich in die Hand, um nicht zu schreien,
sie dachte an Saskia. Er zog sie an den Haaren über den Boden ins Schlafzimmer.
Als er sie anal missbrauchte, glaubte sie, sie würde in der Mitte zerrissen. Er
kam schnell, dann trat er sie aus dem Bett und schlief ein. Sie lag auf dem
Boden, sie konnte sich nicht mehr bewegen. Irgendwann schaffte sie es ins
Badezimmer. Die Haut hatte sich bereits verfärbt, in ihrem Urin war Blut. Sie
lag lange in der Badewanne, so lange, bis sie wieder ruhig atmen konnte. Sie
konnte nicht weinen.
Am ersten Tag nach den Weihnachtsfeiertagen hatte sie genug Kraft. Sie
sagte, sie gehe mit Saskia zu ihrer Mutter. Er verließ vor ihr die Wohnung.
Sie packte den Koffer und trug ihn zum Aufzug. Saskia freute sich. Als sie
unten ankamen, stand er vor der Tür. Er nahm ihr den Koffer aus der Hand,
sanft. Saskia fragte, ob sie doch nicht die Oma besuchen würden. Er nahm ihre
Tochter an die linke und den Koffer in die rechte Hand, er ging zurück zum
Aufzug. In der Wohnung legte er den Koffer aufs Bett und sah sie an. Er schüttelte
den Kopf.
»Du gehst nirgendwohin, ich finde dich immer«, sagte er. Im Flur nahm er
Saskia auf den Arm: »Wir gehen jetzt in den Zoo.«
»Au ja«, sagte Saskia.
Erst als sich die Tür schloss, spürte Alexandra ihre Hände wieder. Sie
hatte sich in den Stuhl verkrallt, zwei ihrer Fingernägel waren abgeknickt. An
diesem Abend brach er ihr eine Rippe. Sie schlief auf dem Fußboden. Sie spürte
sich nicht mehr.
Er hieß Felix und hatte eine der kleinen Wohnungen im Hinterhaus gemietet.
Sie hatte ihn jeden Tag mit dem Fahrrad gesehen. Er hatte sie immer im
Supermarkt gegrüßt, und als sie sich einmal wegen der Nierenschmerzen im
Hausflur gekrümmt hatte, hatte er ihr mit den Tüten geholfen. Jetzt stand er
vor der Tür.
»Haben Sie etwas Salz?«, sagte er. »Okay, ich geb's zu, das
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