Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
deine Schuld.«
»Er wird bestimmt wiederkommen.«
»Natürlich.« Obwohl Elizabeth ruhig und gelassen klang, war sie in ihrem Innern völlig aufgewühlt. Sie spürte, dass es ein in jeder Hinsicht enttäuschender Abend zu werden versprach.
Elizabeth ging in ihrem Schlafzimmer auf und ab und war so unruhig, dass sie nicht einmal still sitzen konnte, um sich von ihrer Zofe das Haar bürsten zu lassen. Also schickte sie Teresa zu Bett und erledigte die notwendigen Handgriffe alleine. Finster betrachtete sie sich im Spiegel und zerrte die Bürste unsanfter durchs Haar als nötig.
Ihr ganzes Leben schien seit gestern auf den Kopf gestellt, und das missfiel ihr gewaltig. Sie mochte es nicht, dass dieses Gemälde solche Macht über sie hatte. Wer wusste schon alles davon? Vielleicht auch Lord Dekker? Hatte er deshalb geglaubt, er könne sich solche Freiheiten herausnehmen und sie auf die Terrasse ziehen?
Daran war nur Peter schuld. Sie dachte an sein selbstgefälliges Grinsen, während er sie beim Walzer so unschicklich eng an sich zog. Was war nur mit ihm los? Eigentlich sollte er sie gegen seine schwachsinnigen Freunde verteidigen. Stattdessen behandelte er sie wie … Ach, sie wusste nicht, wie. Sie wollte den alten Peter zurückhaben; nicht diesen ihr letztlich fremden Mann, dessen blaue Augen zu lodern schienen.
Ein kurzes Klopfen ertönte, dann spähte Susanna durch die Tür und winkte ihr zu. Erleichtert warf Elizabeth ihre Bürste zur Seite und folgte der Cousine zu Rebeccas Schlafzimmer. Es amüsierte sie, dass die sonst so zurückhaltende Susanna, die allgemein als Blaustrumpf galt, ihnen einen Schlachtplan unterbreiten wollte. Und Rebecca, seit sie endlich die zahlreichen Krankheiten, die Kindheit und Jugend überschatteten, hinter sich gelassen hatte, schien vollends vor Abenteuerlust zu sprühen.
Susanna stemmte die Hände in die Hüften. »Ihr hört euch jetzt beide meinen Plan an.«
»Natürlich«, sagte Rebecca und fing an, sich das Haar zu bürsten. »Erzähl uns alles.«
»Wir können nicht in London bleiben und uns diesen drei Männern ausliefern, die nur nach Schwachstellen suchen und die gesammelten Informationen miteinander vergleichen.«
Elizabeth runzelte die Stirn. »Aber wollen die nicht in erster Linie einen Wettstreit gegeneinander führen?«
»Ich weiß nicht. Allmählich bekomme ich das Gefühl, dass es für sie reizvoller ist, uns gemeinsam in die Knie zu zwingen.«
Rebecca lächelte Elizabeth an. »Susanna nimmt das an, weil sie zu wissen meint, was in einem Mann vorgeht und wie ein Mann denkt.«
Susanna war Künstlerin und ging ihrem Vater, einem Anatomieprofessor, zur Hand, indem sie für ihn Skizzen von sezierten Leichen anfertigte. Ziemlich mutig für eine junge Frau aus ersten Kreisen. Allerdings leitete Susanna von daher den Anspruch ab, auch von lebenden Männern mehr zu verstehen, was immer wieder zu Diskussionen zwischen den Schwestern führte.
Elizabeth winkte ungeduldig ab.
Jetzt lächelte Susanna. »So habe ich das nicht gesagt. Aber ich glaube, wir können unser Geheimnis am besten bewahren, indem wir getrennte Wege gehen. Dadurch wird es für sie schwieriger, uns eine nach der anderen auszufragen.«
Elizabeth schaute sie zweifelnd an.
»Getrennte Wege?« Rebecca verzog das Gesicht.
»Irgendwann wird eine von uns einen Fehler machen«, fuhr Susanna fort. »Diese Gefahr verringern wir, wenn wir ihnen die Möglichkeit nehmen, auf jede von uns Zugriff zu haben und unsere Reaktionen und Aussagen zu vergleichen.«
»Aber das ist ja so, als würde man das Spiel verlassen.« Rebecca ließ die Schultern hängen.
Elizabeth verstand die Enttäuschung ihrer Cousine nicht. Es ging doch nur darum, das Spiel zu gewinnen. Nur so konnten sie das Gemälde in die Hände bekommen und sich vor eventuellen Folgen schützen.
»Nein, es ist eher so, als würde man die Spielregeln ändern«, sagte Susanna, und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Sofern sie darauf verzichten, uns zu folgen, gewinnen wir. Siehst du das nicht?«
»Ich kann nicht weg«, sagte Elizabeth. »Meiner Mutter geht es im Augenblick nicht so gut, und ich muss bei ihr bleiben.« Sie ließ unerwähnt, dass auch William bei ihren Überlegungen eine Rolle spielte.
Susanna nickte. »Das ist in Ordnung. Wir müssen schließlich nicht alle weg. Ich bin zu einem Fest auf dem Land eingeladen worden und werde daran teilnehmen.«
»Mama hat so etwas erwähnt.« Rebecca klang unsicher. »Sie wird darauf
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