Von Tod und Wiedergeburt (German Edition)
erste und wichtigste Wurzel ist der Lehrer (sanskr.: guru, tib.: lama), der die Übertragungslinie verkörpert und über die wechselnden Launen und Trips der Schüler hinwegschaut. Dank seiner Ehrlichkeit und Erfahrung wird der Segen der Buddhas rein und klar vermittelt. Durch seinen Kraftkreis und die Übertragung seiner Linie gibt der Lama Segen – ein gutes, warmes Gefühl von Vertrauen, dass das Leben Sinn hat und für viele bedeutend gemacht werden kann.
Zweitens gibt er Zuflucht zu den Buddhaformen (sanskr.: deva, tib.: yidam), den anziehenden, athletischen und oft vereinigten Formen aus Licht und Energie, denen der tibetische Buddhismus viel von seiner Bekanntheit weltweit verdankt. Sie verbinden den Geist des Übenden mit seiner Buddhanatur, und die Verschmelzung und Einswerdung mit ihnen schenkt besondere Fähigkeiten.
Die dritte Wurzel sind schließlich die überaus kraftvollen Schützer (sanskr.: dharmapala, tib.: chökyong oder gönpo). Aufgrund ihrer kraftvollen, flammenumgebenen und waffentragenden Gestalt werden sie häufig für feindlich gehalten. Sie haben ein Weisheitsauge in der Stirn, schützen sowohl die Lehre als auch die Schüler und erwecken große Tatkraft. [14]
Weil die Buddhaformen allgemeine Bewusstseinszustände auf erleuchteter Ebene ausdrücken, sind sie, ob befriedend, bereichernd, begeisternd oder kraftvoll schützend, eine enorme Hilfe und ein großartiger Spiegel für unseren Geist.
Die Drei Juwelen und die Drei Wurzeln drücken die jedem Wesen innewohnende Erleuchtung aus. Sie zeigen Ziel, Weg und Freunde auf dem Weg und bringen Segen, Begeisterung und Schutz. Sie spiegeln unser zeitloses Wesen – und das vertraute Gefühl, das viele empfinden, wenn sie ihnen begegnen, entsteht, weil diese Eigenschaften schon seit anfangsloser Zeit die unseren sind.
Die Zuflucht ist nicht nur nützlich als Ausrichtung für die tägliche Entwicklung. Bei unerwarteten oder dramatischen Erfahrungen im Leben kann es sehr helfen, sich an den Lama oder Buddha zu erinnern, denn er enthält das gesamte Kraftfeld der Zuflucht. In Augenblicken der Störung an den Lama zu denken schenkt innere Sicherheit, und es verdichtet sich jeder Segen, den das eigene Karma ermöglicht. Vor allem im Tod gibt es keine bessere Zuflucht als einen geistigen Freund oder Lehrer, dem man vertraut.
Abb. 6 Zuflucht im Diamantweg
Die Wege und Mittel im Diamantweg
Allen buddhistischen Wegen gemein sind die Zuflucht in die Drei Juwelen, das Verständnis von Ursache und Wirkung und die Vier Edlen Wahrheiten. Das Ziel des Grundlagenweges ist die Auflösung der Ich-Anhaftung (Befreiung), wodurch das Ende aller zukünftigen Wiedergeburten mit ihren Leiden durch Geburt, Alter, Krankheit und Tod erreicht wird. Weitreichender ist jedoch die Zuflucht in Verbindung mit dem Bodhisattva-Versprechen, dem allumfassenden Wunsch, sich zum Besten aller Wesen zu entwickeln und sich so lange wiedergebären zu lassen, wie man für andere nützlich sein kann. Die Betonung dieses Großen Weges liegt auf der Ansammlung von Mitgefühl und Weisheit, was über die Sechs Befreienden Taten erreicht wird (vgl. Kapitel »Die Sterbebegleitung«). Das Ziel ist hier: Erleuchtung zum Besten aller Wesen. Kann man seine Werte von bedingt und vergänglich auf letztendlich und zeitlos umstellen, sich für Licht und Energieformen begeistern und die Welt als rein und traumähnlich erleben, sind die Mittel des Diamantweges die richtigen. Je nach persönlichem Zugang kann man Übungen mit und ohne Form auf drei möglichen Wegen nutzen: dem Weg des Vertrauens, dem Weg der Mittel und dem Weg der Einsicht.
Abb. 7 Die drei Wege im Diamantweg
Diese drei Wege verfügen über Mittel, die auch im Sterbeprozess und nach dem Tod angewendet werden können. Sie werden in den folgenden Kapiteln immer wieder beispielhaft erwähnt. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Meditation. Sie führt mit der richtigen Einstellung zu gutem Benehmen, man wird gelassener, bekommt Überschuss für sich wie für andere und kann auf Dauer seine Mitmenschen besser verstehen. Das führt zu glückbringenden Eindrücken im Geist. Man wird dadurch offener und fröhlicher, sieht die Gefühle und Wünsche im Geist kommen und gehen und braucht dadurch auf Dauer weniger von außen.
Der Weg der Begeisterung
Der schnellste Zugang zur Erleuchtung ist eine enge Verbindung zum eigenen Lehrer. Hier reifen sehr viele Eigenschaften des Geistes heran, und es entsteht »begeisterte Einfühlung«.
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