Von Tod und Wiedergeburt (German Edition)
wenn sie schon vorüber sind. So, wie die Werte der Jugend und Gesundheit erst durch Alter und Krankheit erkannt werden, wird auch das Leben leider oft erst dann geschätzt, wenn der Tod bereits kurz bevorsteht. Um mit Freude und Ausdauer den Geist erfolgreich zu entdecken, braucht man Zielgerichtetheit und einen Schatz an Einsichten, der einen für das Hier und Jetzt öffnet.
Jede Arbeit mit dem Geist beginnt deshalb mit vier grundlegenden Beobachtungen. Sie geben Richtung und verleihen jeder Vertiefung von Anfang an Ziel und Sinn:
Der erste Grundgedanke zielt auf die kostbare Möglichkeit, das eigene Leben mit buddhistischen Mitteln für die Entwicklung zu nutzen. Ist man mit Buddhas Lehre in Verbindung gekommen, hat man die höchst seltene Gelegenheit, durch allumfassende Weisheit den erlebenden, zeitlosen Geist zu erkennen und uferloses Glück zu erfahren. Es ist wichtig zu verstehen, wie kostbar dies ist, denn nur wenige Menschen begegnen den buddhistischen Belehrungen und noch viel weniger können sie nutzen. Die überlieferten Belehrungen sprechen von acht Freiheiten und zehn Ausstattungen – Bedingungen, die zu diesem Zweck zusammenkommen müssen:
Abb. 4 Die menschlichen Freiheiten und Bedingungen
Versäumt man die unendlich wertvolle Möglichkeit, das Wesen seines Geistes zu erkennen und dadurch höchste Erfüllung zu erfahren, ist es unsicher, wie viele Leben ohne letztendliche Sichtweise folgen werden, bevor erneut derartig günstige Bedingungen auftauchen. Geburt, Alter, Krankheit und Tod sind bei jeder Wiedergeburt leidvoll, und sogar die schönsten bedingten Erfahrungen verblassen neben der Dauerwonne der Verwirklichung.
Der zweite Grundgedanke besteht darin, sich die Vergänglichkeit aller Dinge vor Augen zu führen. Ob es einem bewusst ist oder nicht: Nichts hat Bestand. Alles entsteht und vergeht – auch unser Körper –, und man weiß nicht, wann man ihn verlieren wird. Um Zeitverschwendung zu vermeiden, rät Buddha, die wechselnden Jahreszeiten, den Fluss der Tage und Augenblicke genau zu beobachten und ein allgemeines Gewahrsein für Vergänglichkeit zu entwickeln.
Ein besonderer Hoffnungsschimmer ist diese Belehrung, wenn mal alles kopfsteht: Die Frau läuft mit dem Schornsteinfeger davon, das unversicherte Haus brennt ab, die Polizei bringt erneut die Kinder nach Hause – auch diese Umstände sind vergänglich! Nichts ist dauerhaft. Genauso ist es zum Glück auch mit den schwierigen inneren Zuständen: Sie sind ständig in Bewegung und dadurch beeinflussbar. Je weniger Aufmerksamkeit man ihnen schenkt, desto schneller werden sie sich wieder auflösen.
Wer die Flüchtigkeit aller Erscheinungen begreift, wird etwas aus seinem Leben machen. Denn sobald man sich der seltenen und außerordentlich günstigen Lage bewusst ist, die in den heutigen westlichen Gesellschaften in Bezug auf Freiheit und Ausbildung gegeben ist, wird man seine Zeit nicht sinnlos verschwenden, sondern sie hoffentlich für die Entwicklung sinnvoller Eigenschaften nutzen.
Der dritte Grundgedanke beschäftigt sich mit Ursache und Wirkung. Die unterschiedlichen Lebenslagen und Gefühle, die man erlebt, entstehen nicht zufällig, sondern werden durch unsere Einstellung und das eigene Handeln bestimmt. Jeder bringt bereits von dem Augenblick an, in dem sich das eigene Bewusstsein mit der Eizelle und dem Samen verbindet, Eindrücke von früheren Leben zum Ausdruck. Diese bilden die Grundlage für das jetzige Leben: die Freiheiten oder Einengungen seines Kulturkreises; das Verhalten der Eltern und der Körper; Bedingungen, die wiederum Gesundheit, Begabung und Neigungen beeinflussen. Entsprechend kann man die Ausrichtung künftiger Leben heute bereits bewusst steuern und oft auch die augenblicklich heranreifenden Umstände durch geschickte Gedanken, Worte und Taten verändern. Wählt man, freundlich zu sein, wird man immer häufiger in guter Gesellschaft seine Zeit verbringen können, und schenkt man Ängsten keine zusätzliche Kraft, wird der Geist mutig und kann sich entspannen. Hilft man Kranken und Sterbenden, werden sich mit Sicherheit die Freunde auch um einen versammeln, wenn man es braucht.
Die eigene Vergangenheit ist also dafür verantwortlich, wie es einem heute geht. Solange man den Strom der Eindrücke und Handlungen nicht bewusst gestaltet, werden frühere Gedanken, Worte und Taten auch weiterhin bestimmen, wie sich die Lebensbedingungen später ausformen werden. Man wird also weder von
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