Von Tod und Wiedergeburt (German Edition)
werden, denn in Tibet herrschten bis zur chinesischen Eroberung im Jahre 1959, die noch viel mehr Leiden brachte, mittelalterliche Zustände mit wenig Polizei und Ordnungshütern. Die Behörden – weitgehend die Landbesitzer in Lhasa und die drei umliegenden großen Klöster – versuchten deswegen durch die Erhaltung eines gewissen Angstpegels in der Gesellschaft, die Bevölkerung gefügig zu halten, was bei den friedvollen Bewohnern in der Mitte des Landes auch gelang. Dementsprechend betonte man gerne das Leiden beim Sterben und die Höllen danach. Zieht man gegenwärtige Erkenntnisse der Forschung zur Nahtoderfahrung mit in Betracht, ergeben sich, sicherlich nicht nur aufgrund der guten Schmerzmittel heutzutage und der zivilisierten Gesellschaften westlicher Länder, weit bessere Aussichten. Letztendlich hängen die Eindrücke und die im Geist hochkommenden Bilder nach dem Tod von der Einstellung und Lebensführung ab.
Einen umfassenden Einblick in die vielfältigen Erfahrungen und Abläufe nach dem Tod bis zur erneuten Wiedergeburt bieten vor allem die buddhistischen Lehrer (tib.: Lamas) der drei »Alten« oder »Rotmützen«-Meditationsschulen Tibets. Ihre großen Meditationsmeister, auch Verwirklicher genannt, bilden dabei die Grundlage der Belehrungen. Da der Geist nicht nur neue Erfahrungen hervorbringt, sondern auch bisherige speichert, erinnern sich diese durch ihre Klarsicht an Erfahrungen aus früheren Leben. Das erklärt vieles und schenkt unerschütterliche Sicherheit.
Belehrungen Buddhas, die Aussagen Guru Rinpoches, Erfahrungen buddhistischer Meister und Einsichten anderer, die vielleicht in früheren Leben buddhistisch meditierten, bestätigen tiefe Hoffnungen: Es gibt zeitlose »überpersönliche« Bewusstseinsebenen höchster Freude und bereits zu Lebzeiten erlernbare Mittel, um im Augenblick des Todes den Geist dauerhaft aus jeder Art von Schmerz zu befreien und – gelingt es, das dann entstehende Klare Licht als das eigene Wesen zu erkennen – sogar die Erleuchtung zu verwirklichen. Diese Körper, Rede und Geist umfassenden Übungen heißen auf Tibetisch Phowa, und die einfachste und für jeden verwendbare wird im Kapitel »Das Bewusste Sterben« beschrieben. Diese Meditation schwächt schon im Leben Todesängste ab und bringt diejenigen, die sie gelernt haben, selbsttätig auf sogenannte »reine«, das heißt befreite und überaus glückliche Bewusstseinsebenen, aus denen es kein Zurückfallen gibt.
Wer wünscht, alle dem Geist innewohnenden Fähigkeiten und Eigenschaften in diesen Bereichen zu entfalten, sollte sich frühzeitig entscheiden, hierzu den Sterbevorgang zu nutzen. Zu keiner anderen Zeit kommen die Bedingungen für riesige Entwicklungssprünge so günstig zusammen wie hier: Wenn alle Sinneseindrücke wegfallen, sich Gewohnheiten auflösen und sich alle Energien bündeln, öffnet sich der Weg in ein ungeheures Entwicklungsfeld. Man wird dann, je nach Einsicht und Mut, seinen Geist immer tiefer als zeitlose Wahrheit, selbstentstandene Freude und tatkräftige Liebe erkennen.
Die Wege zum Glück
S elbst wenn man die gleichen guten Bedingungen hätte wie Buddha vor 2500 Jahren: ein Königreich, Freunde, Geliebte, Bedienstete, Ausbildung, Sport, Gesundheit und einen frohen Geist, würde man dennoch eines Tages erkennen müssen, dass die Vergänglichkeit nicht vor der eigenen Haustür haltmacht und alle äußeren Freuden nicht ewig währen. Auch wenn man mit viel Glück kaum krank werden würde, so käme man sicher an Alter und Tod nicht vorbei. Als Buddha im Alter von 29 Jahren nach der Begegnung mit Krankheit, Alter, Tod in einer darauffolgenden langen Nacht des Grübelns diesen leidvollen Vorgang des Lebens als unumgänglich erkannte, schaute er am nächsten Morgen in die Augen eines Verwirklichers und verstand: Es gibt hinter den Erlebnissen einen zeitlosen Erleber, auf den immer und überall Verlass ist. Dieses Gewahrsein zum Besten aller zu verwirklichen, erschien ihm das sinnvollste Ziel überhaupt, und so machte er sich auf den Weg, genau das zu tun.
Die Vier Edlen Wahrheiten
Nach seiner Erleuchtung mit 35 Jahren begann Buddha, »der Erwachte«, seine 45 Jahre andauernde Lehrtätigkeit mit vier Kernsätzen:
»Es gibt Leid.« Diese Aussage ist nicht so schwarzseherisch, wie Unbedarfte sie auf den ersten Blick erleben und sie noch heute an vielen Universitäten verstanden wird, sondern zeigt beim näheren Hinsehen auf den unendlichen Reichtum, der dem Geist
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