Von Zwanzig bis Dreißig
reizenden Geschöpf alsbald nur langweilig und komisch, und so wandte sie sich andern Göttern zu. Das Verlöbnis mußte wieder gelöst werden, nachdem es ihm ein Stück seines besten Herzens gekostet hatte.
Sommer 1840 aber, um die Zeit, von der ich hier erzähle, standen diese schmerzlichen Ereignisse noch weit aus, und Fritz Esselbach erfreute sich froher, glücklicher Tage, die die natürliche Folge seiner großen Beliebtheit waren. Er war in mehr als einem Kreise heimisch und bewegte sich innerhalb der Finanz-und Beamtenwelt mit derselben Leichtigkeit wie innerhalb der Bourgeoisie. Gelegentlich nahm er mich in diese Kreise mit, und so kam es meinerseits zu Gastrollen.
Von einer dieser Gastrollen, und zwar einer innerhalb der Bourgeoisie gegebenen, spreche ich hier zuerst.
»Weißt du«, so hieß es eines Tages seinerseits, »du könntest mir eigentlich eine Polterabendrolle schreiben, und wenn du's noch besser mit mir vorhast, so schreibst du dir selber auch eine und begleitest mich.«
»Wo ist es denn?«
»Es ist bei einem Hofschlächtermeister in der Klosterstraße. Dicht neben dem ›Grünen Baum‹.«
»O, das ist ja meine Gegend. Von da fahren ja immer unsre Ruppiner Hauderer ab. Ich bin nämlich mit Permission ein Ruppiner.«
»Nun gut; nimm das als einen Fingerzeig.«
Und wirklich, ich schrieb nicht bloß
ihm,
sondern auch
mir
eine Polterabendrolle. Von der seinigen weiß ich nichts mehr, die meinige aber war die eines ruppigen, den linken Fuß etwas nachziehenden und als Hochzeitsgeschenk eine Amor-und-Psyche-Gruppe bringenden Gipsfigurenhändlers. Der Triumph war vollständig und größer, als ich ihn je wieder in meinem Leben erlebt habe. Daran denkt man gern zurück. Aber auch sonst noch war der Abend von großem Interesse für mich, denn ich habe mich damals zum ersten und zum letzten Male in einem wirklich reichen Alt-Berliner Bürgerhause bewegt. Ich empfing davon in jedem Anbetracht den allergünstigsten Eindruck. Daß es hoch herging, daß die Festräume von Lichtern und Gold und Silber glänzten, versteht sich von selbst, aber es ging zugleich auch ein völlig aristokratischer Zug durch das Ganze, der sich neben anderm ganz besonders darin aussprach, daß, bei freundlichstem Entgegenkommen, alles von einer gewissen Reserviertheit begleitet war. Wie's innerhalb derselben Sphäre heutzutage steht, kann ich mit Sicherheit nicht angeben, aber ich möchte, nach Beobachtungen auf einigermaßen angrenzendem Gebiet, beinah glauben, daß wir seitdem keine sonderlichen Fortschritte gemacht haben. Vielleicht war es auch ein ganz besonders gutes Haus.
Das zweitemal, wo sich Fritz Esselbach, und zwar unter Assistenz einer ringellöckigen Dame, meiner bemächtigte, stand wieder ein Polterabend in Sicht, aber diesmal in einem ganz andern Kreise. Der bis vor kurzem noch unter uns lebende, längst zu einer Zelebrität gewordene Professor
Kummer
verheiratete sich mit einer Mendelssohnschen Tochter, und der Polterabend wurde Neue Kommandantenstraße gefeiert, im Hause der Brauteltern. Ich traf etwas verspätet ein, als man eben schon die Plätze vor der im Saal aufgeschlagenen Bühne verlassen wollte. Voll großer Güte gegen mich aber machte man kehrt, nahm die Plätze wieder ein und ließ sich eine Gärtnerburschenrolle, will also sagen das denkbar Trivialste, ruhig und selbst unter Beifallsbezeigungen gefallen. Trotzdem war es, gemessen an meinem als Gipsfigurenhändler eingeheimsten Erfolge, kaum ein Succès d'estime, worüber mich auch die große Liebenswürdigkeit der Wirte wie der Gäste nicht täuschen konnte. Vorn, im Zuschauerraum, stand ein Militär, Stabsoffizier, der sich, als ich von der Bühne herab in den Saal trat und da umherirrte, mit mir armen verlegenen Jungen entgegenkommend unterhielt. Anderthalb Jahrzehnte später verging kaum ein Gesellschaftsabend im Franz Kuglerschen Hause, wo mir nicht Gelegenheit gegeben worden wäre, die Bekanntschaft von damals zu erneuern. Er, der sich meiner an jenem Polterabende so freundlich angenommen hatte, war ein Schwager Franz Kuglers, der Major – spätere General –
Baeyer,
der berühmte Geodätiker, Schöpfer seiner Wissenschaft.
Fritz Esselbach, überall mein Introdukteur, führte mich auch, wie schon eingangs hervorgehoben, in den
Lenau-Klub
ein. Den Anstoß dazu gab aber nicht meine Dichterei, sondern eine ganz zufällige Begegnung, ohne welche meine Bekanntschaft mit diesem Dichterverein vielleicht nie stattgefunden hätte. Von dieser
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