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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Strohhalme sieht man am deutlichsten, woher der Wind weht.«
     
Drittes Kapitel
     
Bei Professor Sonnenschein. Onkel August wieder in Berlin; seine letzten Jahre, sein Ausgang. Examen. In die Jungsche Apotheke
    Dezember 45 hatte ich mich verlobt, und wenn man sich verlobt hat, will man natürlich auch heiraten. Dazu war aber noch zweierlei vonnöten: Geld und Examen. An Herbeischaffung von Geld, trotzdem Freund Lepel damit umging, eine reiche Tante mir zuliebe »reinzulegen«, war gar nicht zu denken; aber Absolvierung meines Examens lag innerhalb der Möglichkeit. Und wenn's damit glückte, so war zwar nicht viel gewonnen, aber doch was.
    Also Vorbereitung zum Examen!
    Ich hatte mir eine kleine Summe Geldes gespart, und so wenig es war, so fing ich doch an, mich ganz ernsthaft über analytische Chemie herzumachen, und zwar als Schüler vom Professor Sonnenschein – Vater des Geheimen Legationsrats im Auswärtigen Amt –, der gerade damals in einem Seitenflügel von Sparwaldshof ein chemisches Laboratorium errichtet hatte. Sonnenschein war ein ausgezeichneter Lehrer, und so ging alles ganz gut. Nebenan, in einem eigens ihm zur Verfügung gestellten Raume, war ein etwa dreißigjähriger Herr mit hellen blitzenden Augen und von sehr distinguierter Erscheinung ebenfalls mit analytischen Arbeiten beschäftigt. Seine Züge haben sich mir eingeprägt. Ich erfuhr später, daß es
Görgei
gewesen sei. Sichres darüber weiß ich freilich nicht. Aber es ist mir in hohem Maße wahrscheinlich, daß es Görgei war, weil es mir – wenigstens in meinen jungen Jahren – zubestimmt war, unausgesetzt Revolutionären und ähnlichen Leuten in die Arme zu laufen: Robert Blum, Georg Günther – Schwager R. Blums –, Jellinek, Dortu, Techow, Herzen, Bakunin und noch andre, die das, wofür sie kämpften, mit ihrem Leben oder mit ihrer Freiheit bezahlt haben.
    Ich hatte mich, als ich meine Studien anfing, in der Dorotheenstraße seßhaft gemacht, und zwar in einem vergleichsweise neuen Hause, das dem in der Turnerwelt gekannten und gefeierten Eiselen gehörte. Meine Wohnung lag zwei Treppen hoch, und wenn ich von meinem Hinterzimmer aus in Schräglinie nach einer im ersten Stock gelegenen Küche sah, sah ich da neben dem einen Küchenfenster einen großen Eisenarm vorspringen, an dem regelmäßig allerlei gute Dinge hingen: Bekassinen, Kapaune, Rehziemer, auch Körbe mit Obst und Gemüse, namentlich Artischocken. Es wohnte da der durch seine Juristerei, seine Gourmandise und seine plattdeutschen Gedichte gleich berühmte Präsident Bornemann und weckte durch den vorgeschobenen Eisenarm mit seiner Delikatessenfülle den Wunsch in mir, doch mal sein Gast sein zu dürfen, ein Wunsch, der mir leider nicht in Erfüllung ging. Ich mußte mich mit Geringerem begnügen, habe dem aber gleich hinzuzusetzen, daß dies Geringere mich wohl zufriedenstellen durfte. Denn die Personen, bei denen ich in der Dorotheenstraße mich einquartiert hatte, waren niemand anders als Onkel August und Tante Pinchen, dieselben also, von denen ich, in voraufgehenden Kapiteln, des Guten und Nichtguten schon so manches erzählt habe. Das Leben führte mich eben immer wieder mit ihnen zusammen, immer wieder in ihr angenehmes Haus, diesmal aber nicht als Gast, sondern als regelrechten Mieter. Beide waren ganz unverändert,
er
nach wie vor der immer gutgelaunte Lebemann,
sie
die feine Dame, die von Kunst zu sprechen und dabei einen literarischen Protektionston, ein ganz klein wenig im Stile von Rahel Levin oder Fanny Lewald, anzuschlagen verstand. Es war also wie vordem ein gefälliges Zusammenleben. Ich sah mich aber trotzdem gezwungen, nach einigen Monaten schon es abzubrechen, und weil sich bald nachher – übrigens bei Fortdauer unsrer guten Beziehungen – unsre Lebenswege trennten, so möcht' ich hier alles zum Abschluß bringen, was ich noch über das Leben dieser meiner zwei Verwandten zu sagen habe.
    Dies Leben verlief so abenteuerlich, wie es begonnen hatte.
     
Meines Onkel Augusts Ausgang
    Onkel August war, als ich im Sommer 46 in seine Wohnung in der Dorotheenstraße zog, erster Geschäftsführer in der Lüderitzschen Kunsthandlung Unter den Linden, ein Geschäft, in das er unmittelbar nach seinem Wiedereintreffen von Leipzig in Berlin eingetreten war. Er hatte da gute Tage, wußte durch Sachkenntnis und Gewandtheit die Chefs des Hauses zufriedenzustellen und stellte namentlich sich selber dadurch zufrieden, daß er wohl mindestens die halbe Zeit in der

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