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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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dem Auge. So vergingen neun Jahr, und erst als ich Ostern 44, um mein Jahr abzudienen, nach Berlin zurückkam, knüpfte sich die Bekanntschaft wieder an. Die Kleine, mittlerweile neunzehn Jahr alt geworden, war total verändert. Nicht bloß das Abruzzentum war hin, auch die mildere Form: das Südfranzösische hatte sich beinah ganz verflüchtigt, und die tiefliegenden dunklen Augen, die mir, ohne schwarz zu sein, immer kohlschwarz erschienen waren, sahen jetzt in dem hierlandes üblichen Halbgrau hell und lachend in die Welt hinein. Alles in allem, beweglich und ausgelassen, vergnügungsbedürftig und zugleich arbeitsam, war sie der Typus einer jungen Berlinerin, wie man sie sich damals vorstellte. Sie hatte sich vergleichsweise sehr verhübscht, aber von ihrer Rassenhöhe war sie ziemlich herabgestiegen – wohl zu ihrem und meinem Glück. Wir nahmen den alten herzlichen Ton gleich wieder auf, und die Leute wußten bald, was daraus werden würde. Sie hatten sich auch nicht verrechnet, und anderthalb Jahr später, an jenem 8. Dezember, den ich eingangs geschildert, war ich verlobt oder, wie ich beim Abschiede mit einem gewissen ängstlichen Empressement gesagt hatte, »
wirklich
verlobt«.
    Unsre beiderseitigen Anverwandten waren nicht allzu glücklich darüber; von der einen wie von der andern Seite war, auf unser leidliches Aussehn hin, eine sogenannte »gute Partie« nicht bloß gewünscht, sondern beinah gefordert worden. Und nun nichts davon! Ich kann aber zu meiner Freude berichten, daß, nach Überwindung eines ersten Schrecks, beide Parteien eine gleich musterhafte Haltung beobachteten. Ich stellte mich den nächsten beiden Anverwandten meiner Braut – Cousinen und, wie sie selbst, Enkelinnen des alten Rouanet – vor und begegnete dabei dem liebenswürdigsten Entgegenkommen. Eine der beiden Damen, »Kommandeuse«, war nach Mecklenburg (Ludwigslust) hin an einen wundervollen rotblonden Stabsoffizier verheiratet, allwo ich, pour combler le bonheur, neben allem übrigen Erbaulichen auch noch von einem vieljährigen Freunde des Hauses, einem alten Major
von Quitzow
begrüßt wurde. Dieser alte von Quitzow stammte recte von der berühmten alten Sippe her, die von dem »Nürnberger Tand« nichts hatte wissen wollen, und saß mir nun da mit einer Schlichtheit und guten Laune gegenüber, als ob
er
den ersten besten Alltagsnamen geführt oder
ich
die Montmorencys wenigstens gestreift hätte. Keine Spur von de haut en bas, alles Wohlwollen und Interesse. Dies Vorherrschen des Humanen in der ganzen Oberschicht unserer Gesellschaft ist oder
war
wenigstens – denn es ist seitdem leider anders geworden – die schönste Seite preußischen Lebens, noch ein herrliches Erbteil aus den »armen Zeiten« her, die sonst, soweit bloß die Armut mitspricht, der T ... holen mag.
    Ich sah mich also gut empfangen, und ein ebenso liebevoller Empfang erwartete meine Braut bei meinen Eltern und Geschwistern. Ich habe schon an andrem Orte – »Meine Kinderjahre« – des ausführlichen erzählt, daß sich in den Augen meiner Mutter alles um Besitz drehte. Bei dieser Anschauung ist sie auch bis an ihr Lebensende geblieben, und ich muß jetzt, wenn auch widerstrebend, hinzusetzen: wohl mit Recht oder wenigstens nicht mit Unrecht. Aber ihre Hochherzigkeit und ihr scharfes Verständnis für alles Praktische des Lebens bewahrte sie vor einem Extrem, und so kam es, daß sie – so sehr sie sich über etwas äußerlich Glanzvolles gefreut haben würde – sofort umgestimmt wurde. »Du hast Glück gehabt,« sagte sie, »sie hat genau
die
Eigenschaften, die für dich passen.«
     
    Mit diesem Worte hatte meine Mutter es wundervoll getroffen. Es kommt nicht darauf an, daß irgend etwas oder wohl gar alles auf einer Musterhöhe wandelt, es kommt auf das »Zueinanderpassen« an, und wenn man sich auf diesen Punkt hin nicht verrechnet, so wird man glücklich. Auch das ist richtig, daß das gegenseitige Sichhelfen eine große Rolle spielt. In dieser Beziehung ist mir immer die Geschichte vom »Swinegel un sine Fru« als Musterstück niederdeutscher Weisheit und Poesie erschienen. Mancher wird die Geschichte kennen, mancher
nicht.
Und so sei sie denn auf gut Glück hin hier erzählt. Ein Swinegel und ein Hase kamen in einen Streit, wer am besten laufen könne. Die Sache sollte auf einem gepflügten Ackerfeld, wo die Furchen nebeneinander laufen, ausgefochten werden, und der Hase hielt sich natürlich seines Sieges sicher. Swinegel aber bestimmte

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