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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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machte sich's ganz natürlich, daß ein an jenem Marschtage geborner Liederzyklus – den ich übrigens in einem aus jener Zeit her aufbewahrten belletristischen Journal mit dem sehr unbelletristischen Titel »Die Eisenbahn« noch besitze – den ganzen, in einem unausgesetzten Freiheitsruf erklingenden Nachmittag, über das bloß Beschreibende hinaus, auf eine »höhere Stufe« hob. In dem Liederzyklus aber hieß es:
     
    Auf Leipzigs Schlachtgefilden
    Ich heute gewandert bin,
    Das fallende Laub der Bäume
    Tanzte vor mich hin.
     
    Der Herbst muß von den Bäumen
    Die Blätter mähn und wehn,
    Wenn wir den neuen Frühling
    In Blüten wollen sehn.
     
    Ein
Herbst hat hier genommen
    Des deutschen Laubes viel, –
    Wann wird der Frühling kommen,
    Für den es freudig fiel?
     
    Ähnliche Fragen und Betrachtungen kehrten an jenem Nachmittage mit der wechselnden Szenerie beständig wieder. Ein großer Dorffriedhof wurde sichtbar, aber nur, um mich sofort behaupten zu lassen, »daß Deutschland ein größerer sei«, und als ich bald danach beim Eintritt in das Dorf Markkleeberg einem Hochzeitszuge begegnete, hieß es in meinem Liederzyklus ungesäumt:
     
    Durchglüht von heil'gem Feuer,
    O schöne, hehre Zeit,
    Hat Deutschland um die Freiheit
    Hier ritterlich gefreit.
     
    Doch hat sein Lieb gefunden,
    Nur wen der Tod getraut –
    Den Wunden und Gesunden
    Blieb fern wie je die Braut.
     
    Die Schlachtfeldwanderungen im Oktober 41 waren wunderschöne Tage für mich. Daß die Freiheit noch nicht da war, machte mich weiter nicht tief unglücklich, ja vielleicht war es ein Glück für mich, ich hätte sonst nicht nach ihr rufen können.
    Immer erst spät abends kam ich von solchen Ausflügen zurück und freute mich, je müder ich war. Mir war dann zu Sinn, als hätt' ich mitgesiegt.
     
    So war mein Leben im Neubertschen Hause. Man wolle jedoch aus dieser Aufzählung von Morgenspaziergängen im Rosental, von Sperlingefüttern bei Kintschy, von Doktorenbörse, von Verskorrespondenz mit Dr. Adler und Schlachtfelderbesuch um die Stadt herum nicht etwa den Schluß ziehen, daß mein Leben eine Reihenfolge kleiner allerliebster Allotrias gewesen wäre. Ganz das Gegenteil, und ich würde traurig sein, wenn es anders läge. Natürlich kann ich hier, wenn ich all das Weitzurückliegende wieder heraufbeschwöre, mit geflissentlicher Umgehung dessen, was das Metier verlangte, nur von den Extras sprechen, die den Tag einleiteten und abschlossen, aber der Tag selbst gehörte mit verschwindenden Ausnahmen dem an, für das ich da war und für das ich bezahlt wurde. Ja mehr, ich setzte meine Ehre darein, alles Dahingehörige nach bestem Vermögen zu tun, und segnete die Tage, wo's so viel Arbeit gab, daß ich an andre Dinge gar nicht denken konnte. Je mehr, desto besser. Das war dann keine Qual, das war eine Lust, und wenn die Arbeitsstunden hinter mir lagen, konnt' ich die Freistunden um so freier genießen, je mehr ich das Gefühl hatte, vorher meine Schuldigkeit getan zu haben. Das Bedrückliche liegt immer in der Halbheit, in dem »nicht hü und nicht hott«.
    Ich kann dies Verfahren, alles, was man an Geschäftlichem zu betreiben hat, immer ganz zu betreiben, allen jungen Leuten, die sich in ähnlicher Lage befinden, nicht dringend genug empfehlen; es ist das einzige Mittel, sich vor Unliebsamkeiten und eignem Unmut zu bewahren, von dem ich denn auch in all jenen Tagen, wo mein Beruf und meine Neigung auseinandergingen, keine Spur empfunden habe.
     
Drittes Kapitel
     
Literarische Beziehungen. »Shakespeares Strumpf«. Im Rob. Binderschen Hause. Hermann Schauenburg und Hermann Kriege. Dr. Georg Günther
    In dem Voraufgehenden hab' ich von einer in Versen geführten Korrespondenz und meiner sich daraus entwickelnden Dichterfreundschaft zu Dr. Adler gesprochen, aber diese Dinge, so sehr sie mich beglückten, konnten mir doch
das,
was man »literarische Beziehungen« nennt, nicht ersetzen.
Die
fangen für einen jungen, draußenstehenden Mann immer erst an, wenn sich etwas von Geheimbund oder mindestens Clique mit einmischt, erst wenn man Fühlung mit der Gegenwart hat, noch besser Friktionen, die dann zu Streit und Kampf führen –
das
sind dann literarische Beziehungen. Sie sind ohne Gegnerschaft kaum denkbar. »Partei, Partei, wer sollte sie nicht nehmen«, so hieß es damals in einem berühmt gewordenen Herweghschen Gedicht. Später bin ich wieder davon abgekommen und kenne jetzt nichts Öderes als »Partei, Partei«. Aber damals

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