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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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war ich ganz in ihrem Zauber befangen.
    Und diesen Zauber an Leib und Seele zu fühlen, dazu sollte mir, als der Sommer 1841 auf die Neige ging, Gelegenheit werden.
    Ich hatte mir herausgerechnet, daß ich, um meinem auf »Partei« gerichteten Zwecke näherzukommen, in einem Leipziger Blatte mein Heil versuchen müsse, was mir denn auch gelang, und zwar als der »Leipziger Schillerverein« – etwas andres als der spätere Zweigverein der Schillerstiftung – eine Schiller-Weste erstanden und dem Schillermuseum einverleibt hatte. Man machte davon, worin ich aber unrecht haben mochte, mehr, als mir billig schien, und so schrieb ich denn unter dem Titel »Shakespeares Strumpf« ein kleines Spottgedicht nieder, das den Tag darauf in dem vielgelesenen »Leipziger Tageblatt« erschien. Es lautete:
     
    Laut gesungen, hoch gesprungen,
    Ob verschimmelt auch und dumpf,
    Seht, wir haben ihn errungen,
    William Shakespeares wollnen Strumpf.
     
    Seht, wir haben jetzt die Strümpfe,
    Haben jetzt das heil'ge Ding,
    Drinnen er durch Moor und Sümpfe
    Sicher vor Erkältung ging.
     
    Und wir huldigen jetzt dem Strumpfe,
    Der der Strümpfe Shakespeare ist,
    Denn er reicht uns bis zum Rumpfe,
    Weil er fast zwei Ellen mißt.
     
    Seht, wir haben jetzt die Strümpfe,
    Dran er putzte, wischte, rieb
    Ungezählte Federstümpfe,
    Als er seinen Hamlet schrieb.
     
    Drum herbei, was Arm und Beine,
    Eurer harret schon Triumph,
    Und dem »Shakespeare-Strumpfvereine«
    Helft vielleicht ihr auf den Strumpf.
     
    Es war ziemlich gewagt, in einer Sache, die für ganz Leipzig etwas von einer Herzenssache hatte, diesen Ton anzuschlagen, aber es glückte trotzdem; wenn man es auch nicht guthieß, so ließ man es wenigstens gelten, und in den eigentlichen literarischen Kreisen wurde die Frage laut: »Wer ist das? Wer hat das geschrieben?« Das ist für einen armen Anfänger schon immer sehr viel. Aber es ging noch weiter, und ich erhielt tags darauf von dem Verlagsbuchhändler Robert Binder, der zwei Blätter erscheinen ließ, ein demokratisch-politisches und ein belletristisches, einen Brief, in dem ich zur Mitarbeiterschaft aufgefordert wurde. Großer Triumph. Der Himmel hing mir voller Geigen. Ich sandte denn auch Verschiedenes ein, darunter ein längeres phantastisch-politisches Gedicht, das, glaube ich, »Mönch und Ritter« hieß, und wurde daraufhin zu einer kleinen Abendgesellschaft im Hause des Herrn Verlegers eingeladen.
    Dieser Abend entschied über mein weiteres Leben in Leipzig, gab ihm, nach der literarischen Seite hin, den Stempel, weshalb ich etwas ausführlicher dabei verweile.
    Robert Binder
empfing mich in einem Vorzimmer seines in einer Vorstadt gelegenen, ganz modernen Hauses, mit kleinen Außentreppen und Balkonen. Er war ein ausgesprochener Sachse, fein und verbindlich, aber zugleich von weltmännischem Gepräge, so daß man deutlich empfand, er müsse längere Zeit im Auslande gelebt haben. Die zum Salon führende Tür stand auf, hinter der ich die Gäste, nur wenige, bereits versammelt sah. Ich wurde der Frau vom Hause vorgestellt, einer beinahe schönen Dame, der man sofort abfühlte, daß sie das Heft in Händen hielt und die Geschicke des Hauses, also wahrscheinlich auch die der dort ins Leben tretenden Literatur lenkte. Grund genug, mich ihr von der denkbar besten Seite zu zeigen. Freilich nur mit mäßigem Erfolge. Sie war sehr liebenswürdig, aber doch noch mehr »mondaine«, was sie denn auch befähigte, mich vom ersten Augenblicke an richtig zu taxieren und ihre wirkliche Aufmerksamkeit lieber zwei jungen Männern zuzuwenden, die links und rechts neben ihr saßen. Diese zwei jungen Männer waren typische Westfalen, was ihre Superiorität von vornherein besiegelte. Der eine, mit seiner annähernd sechs Fuß hohen Gestalt, vertrat die westfälische Stattlichkeit, während der andre, wie zum Ersatz für die fehlende Stattlichkeit, einen Idealkopf – sehr ähnlich dem Adolf Wilbrandts – zwischen den Schultern trug. Beide, als richtige Cheruskersöhne, führten den Vornamen Hermann, der stattlichere: Hermann Schauenburg, der schönere: Hermann Kriege. Sie gehörten der Leipziger Burschenschaft an. Außer diesen zwei Studenten war noch ein dritter Herr anwesend, ein Herr von Mitte Dreißig, Dr. Georg Günther. Er musterte mich freundlich, etwa wie wenn er sagen wollte: »Grade so hab' ich ihn mir gedacht«, denn Dr. Günther war der Redakteur der schon erwähnten beiden Blätter, und die Zeilen, die mich zur

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