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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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vorlegen zu dürfen. Er ging auch freundlich darauf ein, aber doch zugleich mit einer gewissen, nur zu berechtigten Verlegenheit. Was konnt' es am Ende sein? Er hatte sich selbst zu lange und zu ernsthaft mit derlei Dingen beschäftigt, um nicht zu wissen, daß von einem zwanzigjährigen, bei Radix Valerianae und Flores Chamomillae herangewachsenen Springinsfeld mutmaßlich nicht viel zu gewärtigen sei. So kam es denn auch. Es war eine tüchtige Niederlage, der ich zunächst entgegenging, aber sie verwandelte sich, was mich sehr glücklich machte, schließlich in einen kleinen Sieg. All dies, in seinen verschiedenen Stadien von Demütigung und Erhebung, verlief vorwiegend in einer in Versen geführten Korrespondenz, die, glaub' ich, von seiner Seite begonnen wurde. Dem Konvolut, drin ich vorerst meine Gedichte zurückerhielt, waren folgende Strophen beigegeben:
     
    Zweies muß der Dichter haben:
    Erst sei er sich selber klar;
    Und die zweite seiner Gaben
    Ist: er sei auch immer wahr ...
     
    Mit der Sonne zu vergleichen
    Ist die echte Poesie,
    Alles Dunkel muß ihr weichen,
    Keinen Nebel duldet sie.
     
    Zwar aus dunklen Wolken weben
    Läßt sie sich des Kleides Saum,
    Aber frei darüber schweben
    Muß sie hoch im lichten Raum.
     
    Ich war etwas niedergedonnert, erholte mich indessen rasch wieder und suchte mich nun in einer natürlich auch in Versen gehaltenen Antwort, so gut es ging, zu verteidigen. Dann aber brach ich mit einem Male die Verteidigung ab, machte die bekannten drei Sternchen und schloß meine Replik mit folgender, anscheinend bescheidenen, in Wahrheit aber ziemlich kecken Anfrage:
     
    Eine Frage noch, die lange
    Schon auf meiner Lippe schwebt
    Und vor einer Antwort bange
    Ängstlich stets zurückgebebt.
     
    Nun denn, schlechte Verse machen,
    Die nicht einen Heller wert,
    Die kaum wert, darob zu lachen,
    Das ist nicht mein Steckenpferd.
     
    Kann ich nicht ein Herz bewegen,
    Sprechen nicht mit Geist zum Geist,
    Will ich mir ein Handwerk legen,
    Das mit Recht dann Handwerk heißt.
     
    Fehlt von eines Dichters Wesen
    Jede Spur mir und Idee,
    Will ich, ohn' viel Federlesen,
    Schaffen ein Autodafé.
     
    Daß ein Lied, das nie erwärmte,
    Mir doch noch die Hände wärmt,
    Und wofür sonst niemand schwärmte,
    Eine Motte noch umschwärmt.
     
    Diese Strophen, die mir auch in diesem Augenblick noch ziemlich gelungen erscheinen, verfehlten nicht ihren Eindruck auf meinen guten Doktor, und er antwortete mir umgehend in sehr schmeichelhafter Weise:
     
    Wackrer Jünger, brav gesungen,
    Sieh, das schmeckt schon nach Idee,
    Jetzt, wo du dich selbst bezwungen,
    Spare dein Autodafé.
     
    Noch zwei weitere Strophen folgten, und er war von jenem Tag an mein Gönner und Protektor. Wir blieben im besten Verhältnis bis zu meinem Fortgange von Leipzig. Dann brach der Verkehr ab, und erst viele Jahre später hörte ich von seinem Ausgang. In demselben Hospital, in dem er, glaub' ich, lange Zeit als Arzt gewirkt hatte, war er als Hospitalit gestorben. Aber der Respekt, den man seinen ungewöhnlichen Gaben, seiner Klugheit und seinem lauteren Charakter schuldete, dieser Respekt war ihm bis zu seinem traurigen Ende verblieben.
     
    Während des Sommers hatten die Morgenspaziergänge mit ihrem Baden im Fluß und den Träumereien bei Kintschy viel zu meinem Vergnügen beigetragen, als dann aber der Herbst kam, kamen andere Freuden, unter denen für mich das Ausflügemachen auf das Leipziger Schlachtfeld hinaus obenan stand. Historischen Grund und Boden zu betreten, hatte zu jeder Zeit einen besonderen Zauber für mich, und Schlachtfelder werd' ich denn auch wohl in Westeuropa nicht viel weniger als hundert gesehen haben.
    Das Völkerschlachtfeld war natürlich nicht auf einmal zu bewältigen, weshalb ich, von meinem Leipziger Mittelpunkt aus, Radien zog und an einem Tage Gohlis und Möckern, an einem andern Konnewitz und Stötteritz, an einem dritten Liebertwolkwitz, Markkleeberg und Wachau besuchte. Ob ich auf diese Weise den ganzen Kreis abgemacht habe, weiß ich nicht mehr, nur das weiß ich noch, daß der Wachau-Markkleeberger Tag den größten Eindruck auf mich machte, vielleicht weil es grade der Jahrestag der Schlacht, der 18. Oktober, war. Ich sehe noch den Luffton, den Abendhimmel und die Blätter, die der Westwind die lange Pappelallee hinauffegte, und weil mich damals, außer meiner Schlachtfeldbegeisterung, auch das in etwas kindlichen Formen auftretende Verlangen nach deutscher Freiheit erfüllte, so

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