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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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deutscher Sprache: »Mein Herr; ich bitte ... ich war
schon einmal hier
.« Das konnte nun alles mögliche heißen, aber seine freundlich verlegene Haltung gab den Kommentar, und ich stellte ihm, als wir ein paar Minuten deutsch gesprochen hatte, das denkbar glänzendste Zeugnis aus. Das vielleicht Unrichtige darin will ich gern verantworten. Ich verließ das Lokal mit dem Gefühl, ein gutes Werk getan zu haben, und empfing zwei Guineen, wenn es nicht mehr war; trotzdem war ich fest entschlossen, auf dieses heiße Eisen nicht wieder zu treten, und meine Begegnung mit Mr. Pennefather samt ausgestelltem Zeugnis ist das einzige gewesen, was ich zu Nutz und Frommen angehender englischer Kolonialbeamten getan habe.
    Das Jahr darauf, Herbst 56, war ich auf Besuch bei Müller. Ich hatte vor, das »Herz von England«, jene Grafschaften, die die Midland-Counties heißen und in denen, neben so viel andrem Herrlichen, Kenilworth, Warwick, Stratford am Avon, Derby, Worcester, Fotheringhay, Newstead-Abbey, Chester etc. gelegen sind, kennenzulernen. Oxford sollte mir erste Station dazu sein. Ich war zwei Tage dort und zähle diese Tage zu meinen angenehmsten Erinnerungen. Um Müllers und dann auch um Oxfords willen. Von den Städten Westeuropas hab' ich ein hübsches Häuflein gesehn, aber keine hat so mächtig, so bezaubernd auf mich eingewirkt. Selbstverständlich bin ich mir bewußt, daß dies nach den Naturen verschieden ist. Alle die, die den Sinn für den Süden haben, werden anders urteilen, ich für meine Person aber bin ausgesprochen
nicht-
südlich und kann das Wort, das A. W. Schlegel auf seinen Freund Fouqué anwandte, füglich auch auf mich anwenden. »Die Magnetnadel seiner Natur«, so sagte Schlegel von Fouqué, »zeigt nach Norden.« Worin das Übergewicht Oxfords liegt, ist schwer zu sagen. Es ist keineswegs bloß seine Architektur. Diese wird von der Gotik anderer mittelalterlicher Städte, sei's an erfinderischem Genius, sei's an innerlichem Reichtum, mannigfach übertroffen, und vielleicht ist überhaupt nichts da, was man, mit Ausnahme von All-Souls- und Maudlin-College, baulich als ersten Ranges bezeichnen könnte. Auch die Landschaft, so schön sie ist, hat mindestens ihresgleichen, und was endlich drittens das Imponderable des Historisch-Romantischen angeht, so gibt es viele Punkte, die davon mehr haben. Aber in einer eigenartigen Mischung, richtiger noch Durchdringung von schöner Architektur, schöner Landschaft und reicher Geschichte steht es einzig da, vielleicht auch darin, daß nichts stört, nichts aus dem Rahmen fällt, daß alle »fooschen« Stellen fehlen. Eine Vornehmheit, wie ich sie für mein Gefühl sonst nirgends gefunden habe, drückt dem Ganzen den Stempel auf. Von Oxford aus ging ich nach Woodstock, um mir die Liebes- und Leidensstätte der von mir in einem jugendlichen Romanzenzyklus besungenen »schönen Rosamunde« anzusehen, und habe dann von dem Tag an, wo ich Oxford verließ, Müller in England nicht wiedergesehen.
    Ein solches Wiedersehen fand erst viele Jahre später statt, und zwar Mitte der siebziger Jahre bei Georg Bunsen. Ich erhielt eine Einladung von diesem, in der glaub' ich nur angegeben war, daß ich einen alten Freund bei ihm finden würde. Dieser Freund war Müller. Es war um die Zeit, wo er, von Straßburg aus – wohin er sich, einem patriotischen Gefühle folgend, auf eine Reihe von Jahren als Universitätslehrer begeben hatte –, wieder nach seinem geliebten Oxford zurückkehrte. Mit ihm war seine Frau und ein reizender Junge, der nun schon seit Jahren – er war eine Zeitlang Gesandtschaftssekretär in Konstantinopel – im auswärtigen Dienst seiner Heimat steht. Die Mutter war Engländerin, und Müller selbst, trotz seines deutsch gebliebenen Herzens, politisch längst ein Engländer geworden. Übrigens sei bei dieser Gelegenheit nicht versäumt hervorzuheben, daß er, trotz dieser Zugekörigkeit zu seiner neuen Heimat, mehr als einmal, wenn schwierige Zeiten kamen, an dem guten Einvernehmen zwischen Deutschland und England gearbeitet hat. Und zwar immer mit Erfolg. Mit Erfolg, weil sein persönliches Ansehen drüben ein sehr großes war, und zum zweiten, weil ihm für das, was er schrieb – und er schrieb ein wundervolles Englisch –, jederzeit die beste Stelle zur Verfügung stand: die ›Times‹.
    Im Dezember 93 feierte er seinen siebzigsten Geburtstag, und aus aller Welt Enden drängten sich die Glückwünschenden heran. Es versteht sich, daß ich mit in

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