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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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zwischen Rivalen an Schönheit und Eleganz nur irgendwie möglich war. In Schönheit siegte der Welfe, ein typischer Niedersachse mit einem mächtigen rotblonden Sappeurbart, an Eleganz aber stand er hinter dem Ghibellinen erheblich zurück. Dieser war nämlich, ehe er nach Dresden kam, ein Jahr lang in Paris gewesen, eigentlich nur zu dem Zwecke, sich in allem, was Kleidung anging, auf eine wirkliche Situationshöhe zu heben. Das war ihm denn auch gelungen. Ich hörte nicht auf, ihn darüber zu necken, was er sich gutmütig gefallen ließ, aber doch auch mit einem nur zu berechtigten Schmunzeln der Superiorität, denn was umgekehrt
meine
Garderobe betraf, so stammte sie zu drei Vierteln aus dem damals von meinen Eltern bewohnten großen Oderbruchdorfe, darin es statt Dusantoyscher Leistungen nur lange, dunkelblaue Bauernröcke gab. Ich konnte mit meinem Aufzuge, selbst wenn ich bloß schneiderliche Durchschnittskollegen gehabt hätte, nur ganz notdürftig passieren und mußte nun, meine Minderwertigkeit zu steigern, auch just noch diesen mich totmachenden falschen Pariser in nächster Nähe haben. Übrigens hatten beide Kollegen, gute Kerle, wie sie sonst waren, außer Sappeurbart und Rockschnitt herzlich wenig zu bedeuten, und wenn man an ihnen die damals noch ganz aufrichtig von mir geglaubte Stammesüberlegenheit der Niedersachsen und Schwaben hätte demonstrieren wollen, so wäre wohl auch der parteiischste Guelfen- und Ghibellinenbewunderer in einige Verlegenheit gekommen.
    Und nun noch ein zweites Geschichtchen aus jenen Tagen.
    Der Sommer 42 war sehr heiß, und weil Struve eben Struve war, so hatten wir natürlich so was wie freie Verfügung über die Struveschen Mineralwässer oder bildeten uns wenigstens ein, diese freie Verfügung zu haben. Selterser, Biliner usw. – alles mußte herhalten und wurde täglich vertilgt – unter reichlicher Zutat von Himbeer- und Erdbeer- oder gar von Berberitzensaft, den wir als eine besondere Delikatesse herausgeprobt hatten. Eines Tages beschlossen wir, so wenigstens in Bausch und Bogen herauszurechnen, wie hoch sich wohl all das belaufen möchte, was von uns sechs Gehülfen und drei Lehrlingen im Laufe des Jahres an Fruchtsaft und Mineralwasser ausgetrunken würde. Die Summe war ein kleines Vermögen. Wir empfanden aber durchaus keine Reue darüber, lachten vielmehr bloß und sagten: »Ja, nach Apothekertaxe.«
     
    Die vorgesetzte Zeit verging, die Dresdner Tage waren um, und wir schrieben Sommer 43. Ich kehrte nach Leipzig zurück und machte daselbst, nicht bloß durch Dichterfreunde, sondern, was mehr sagen will, auch durch einen zahlungskräftigen Verleger dazu bestimmt, einen ersten ganz ernsthaften Versuch, mich als Schriftsteller zu etablieren. Ich hatte nämlich verschiedene Skripta von Dresden her mitgebracht – war ich doch in meinen Mußestunden daselbst sehr fleißig gewesen – und hoffte nun, mit einer Auswahl der in Spenserstrophe geschriebenen Dichtungen eines in den vierziger Jahren in England sehr gefeierten Anti-Cornlaw-Rhymers – Mr. Nicolls – mich achtunggebietend in die Literatur einführen zu können. Der Verleger aber schien gerade diesen Spenserstrophen, die mir so sauer geworden waren, ein besonderes Mißtrauen entgegenzubringen und sprang plötzlich wieder ab, so daß mir, nach Aufzehrung meiner kleinen Ersparnisse, nichts anderes übrigblieb, als in das Haus meiner Eltern zurückzukehren. Hier kam ich auf die tolle Idee, meine Schulstudien wieder aufzunehmen, um nach absolviertem Examen irgendwas zu studieren. Am liebsten Geschichte. Voll Eifers ging ich dann auch auf Latein und Griechisch aufs neue los, und wer weiß, wieviel Müh' und Arbeit – denn es wäre schließlich doch nichts geworden – ich damit vergeudet hätte, wenn ich nicht durch mein Militärjahr, das abzumachen höchste Zeit war, davor bewahrt geblieben wäre. Schon im Oktober, als ich von Leipzig nach Hause zurückreiste, hatte ich mich in Berlin beim Franz-Regiment gemeldet, und Ostern 44 war zu meinem Eintritt bestimmt worden. Dieser Termin war jetzt vor der Tür. Ich warf also Horaz und Livius, womit ich mich – nur dann und wann an Macbeth und Hamlet mich aufrichtend – ein halbes Jahr lang gequält hatte, froh an die Wand und machte mich nach Berlin hin auf den Weg, um bei dem vorgenannten Regiment mein Dienstjahr zu absolvieren.
     

Bei »Kaiser Franz«
     
Erstes Kapitel
Eintritt ins Regiment. Auf Königswache. Urlaub nach England
    Die drei Bataillone des

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