Vor dem Fest
tote Pflanzen schmeckt die Fähe dort, wohlgenährte Hunde und Katzen, verwirkte Vögel und vieles, was nicht leicht zuzuordnen ist. Vor manchem fürchtet sie sich. Einiges beschämt sie. Das meiste ist ihr gleich. Dann Dung, dann Wolle, dann Gärung und Huhn und Tod.
Huhn!
Hinter geflochtenen Metalldrähten in Holzverschlägen: Huhn! Dahin, zum Huhn, will die Fähe heute Nacht.
Ihre Welpen entfernen sich immer länger vom Bau. Die Fähe ahnt, heute Nacht wird die letzte Jagd in deren hungrigem Auftrag sein. Bald ziehen sie alleine los und suchen sich ein eigenes Revier. Zum Abschied will sie ihnen etwas Gutes, etwas Besonderes bringen. Nicht Käfer oder Wurm, nicht von den Menschen zurückgelassene halbe Früchte, sondern – Eier. Weil nichts ein besseres Aroma hat als die delikate, dünne Schale, weil nichts so guttut wie der sämig süße Dotter.
In einen Hühnerbau zu gelangen ist nie einfach. Auch wenn kein Hund ihn bewacht und die Menschen schlafen. Die Krallen der Vögel fürchtet sie nicht. Doch beinahe unmöglich ist der Eier-Transport. Ihre früheren Versuche endeten kläglich, wenn auch köstlich. Diesmal will sie ihr Maul so achtsam schließen wie im Spiel mit ihren Welpen. Diesmal will sie nicht zwei auf einmal nehmen, sondern zurückkommen für das zweite.
Ein Dachsweibchen schlüpft aus dem Gehölz. Die Fähe wittert Farn an ihr und Angst. Wovor? Fledermäuse schießen über ihrem Kopf. Einsilbige Gesellen, zu schnell für jeden Scherz, flattern nervös davon. Am Waldrand hält eine Wildschweinrotte Jagdrat. Unberechenbare Nachbarn, leicht zu reizen, aber fürsorglich. Schmecken gut nach Morast, Schwefel, Gras und Sturheit. Diskutieren jetzt wuselig, rufen grell in ihrer eckigen Sprache, stoßen einander an, scharren mit den Hufen.
Ihre Unruhe treibt auch die Fähe an. Sie trabt los, will die Launischen schnell hinter sich lassen.
Das Oben trägt bullernd den Donner. Es gefällt ihm nicht, dass die Fähe unterwegs ist. Es warnt sie. Droht ihr.
UND HERR SCHRAMM , ehemaliger Oberstleutnant der NVA , dann Förster, jetzt Rentner und, weil es nicht reicht, schwarz bei Von Blankenburg Landmaschinen , schaut die Sportclips auf sport1: Martina (19, Tschechien) macht Sport. Martina spielt Billard. Herr Schramm ist ein kritischer Mann. Er hat Einwände gegen die Sendung, er findet es nicht gut, wie Martina Billard spielt. Martina setzt die Stöße unbedacht. Rein gar nichts trifft Martina, und das beschäftigt Herrn Schramm. Martina aber lacht, wenn sie nichts trifft. Martina tanzt um das Queue, und das passt doch nicht, es passt nicht, dass sie tanzt, es passt nicht, dass sie sich auf den Tisch setzt und mit dem Hintern die Kugeln verschiebt, und es passt nicht, dass sie allein spielt. Weil, wenn du allein spielst, dann musst du doch die klare Absicht haben, die Kugeln zu versenken. Der Gegner, gegen den man am liebsten gewinnt, daran glaubt Herr Schramm fest, ist man selbst.
Klar, Martina muss nach jedem Stoß ein Kleidungsstück ausziehen, das ist ja auch in Ordnung. Aber das hätte sie woanders genauso gut gekonnt. sport1 hätte sie nicht an einen Billardtisch stellen sollen, sondern halt dorthin, wo Martina sich auskennt. Herr Schramm glaubt, dass es für jeden Menschen etwas gibt, worin er gut ist. Er versucht zu erraten, was das für Martina sein könnte. Die Hinweise sind mager: Ihr Busen ist voll, die Finger kurz, ihre Fingernägel glänzen. Herr Schramm glaubt an Talent, und Herr Schramm liebt Talent. Herr Schramm sieht Menschen bei ihrem Talent gern zu: ein Mann mit Haltung und Haltungsschaden und einer leeren Packung Nikotinkaugummis.
Martina sieht er ungern zu. Martina hat noch ihr Höschen an, es ist schwarz und hat vorn eine 8 in einem weißen Kreis. Das findet Herr Schramm witzig. Aber um das Höschen geht es nicht mehr. Es geht darum, dass Martina so miserabel spielt, als würde sie nicht mal die Regeln kennen. Und Regeln sind doch das Erste, was du jemandem beibringst, der irgendwo nicht hingehört.
Herr Schramm ist ein Mann, der Konversationen mit Unbekannten meidet und mit Bekannten am liebsten über Flugabwehrraketen, Fledermäuse und den ehemaligen Skispringer Jens Weißflog spricht, den talentiertesten Skispringer aller Zeiten.
Er findet Martinas Waden gut, wenn sie sich weit über den Tisch beugt. Als sie aber das Höschen abstreift, es über ihren Stock stülpt, beim Stoß dann neben die Weiße haut und darüber auch noch kichern muss, reicht es Herrn Schramm.
»Ja, sag
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