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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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finden.«
    »Und das sind?«
    »Nicht viele.«
    »Kümmritz?«
    »Kann nicht, hat wieder das Reißen.«
    »Müller Miekley?«
    »Der will nicht. Er hat etwas von Aufstand gehört und von Krieg führen ohne den König, das hat ihn stutzig gemacht: ›Wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen.‹ Wir müssen uns hinter Uhlenhorst stecken, der hat die Altlutherischen in der Tasche.«
    »Und Kallies?«
    »Der will, aber ich kenne ›Sahnepott‹, er hat das Zittern und kann kein Blut sehen.«
    »Nun, denn Krull und Reetzke?«
    »Ja, die kommen, und Dobbert und Roloff auch, das sind vier Gute. Und dann die beiden Scharwenkas, der Alte und der Jungsche, und auch Hanne Bogun, der Scharwenkasche Hütejunge.«
    »Der Hütejunge?« fragte Lewin, »er hat ja nur einen Arm.«
    »Aber vier Augen, junger Herr, den müssen wir haben. Er sieht wie ein Habicht und klettert.«
    »Gut, Kniehase, so wären wir unser zehn. Es muß ausreichen für eine erste Suche, und nun wollen wir, ehe die Bauern kommen, die Amtsstube revidieren; vielleicht, daß wir etwas finden, das uns einen Fingerzeig gibt.«
    Sie stiegen in das erste Stockwerk, auch Kathinka folgte, dem alten Schulzen, neben dem sie ging, auf Flur und Treppe vorplaudernd, daß seine Pflegetochter die mutigste von ihnen und zugleich die erste Ursache ihrer Rettung gewesen sei.
    So waren sie, der alte Vitzewitz immer um ein paar Schritte vorauf, bis an die Türe der Amtsstube gekommen, die sie jetzt nicht ohne ein gewisses und, wie sich im nächsten Augenblicke zeigen sollte, nur allzu gerechtfertigtes Grauen öffneten. Eine grenzenlose Verwüstung starrte ihnen entgegen; Bücher und Scherben, alles durcheinander, über das ganze Zimmer hin Flecke von abgetropftem Wachs, und auf der Platte des großen Schreibtisches ein Brandfleck, von dem Schwamm oder Schwefelfaden herrührend, den die Strolche hier sorglos aus der Hand geworfen hatten. Neben der Truhe lag noch ein Stemmeisen und auf dem Fensterbrett ein dicker, halb zerrissener Fausthandschuh.
    Es waren nicht Gegenstände, die, wie sie auch von Hand zu Hand gingen, auf eine bestimmte Spur hätten hindeuten können, und so in gewissem Sinne enttäuscht, schritten alle wieder in das Erdgeschoß zurück, wo sie jetzt die Bauern samt dem jungen Scharwenka und Hanne Bogun, dem Hütejungen, bereits versammelt fanden. Es wurde beschlossen, zunächst auch noch den Hof abzusuchen oder wenigstens die Stelle, von wo aus der Einbruch ausgeführt worden war. Hier stand noch die vom Wirtschaftshof herbeigeschleppte Leiter, deren sich die Diebe bedient hatten. Lewin stieg die Sprossen hinauf und revidierte das äußere Fenstersims, während Tubal und der junge Scharwenka unten im Schnee nachforschten; aber selbst von den zahlreichen Fußstapfen, die, um den Giebel des Hauses herum, nach der Parkallee und dem Parke selber führten, konnte schließlich nicht festgestellt werden, ob sie von den Dieben oder von Krist und Pachaly herrührten.
    »So geben wir es auf«, sagte Berndt, »und sehen, ob wir auf Gorgast und Manschnow zu etwas finden.«
    Jeetze brachte die Flinten, und der abmarschierende Männertrupp war eben im Begriff, vom Hofe her auf die Dorfgasse zu treten, als sie hinter sich einen Schäferpfiff hörten und, sich wendend, des Scharwenkaschen Hütejungen ansichtig wurden, der, vorläufig noch zurückgeblieben, mittlerweile die Leiter von dem Amtsstubenfenster an das Fenster der Nebenstube gestellt und auf eigene Hand weitergesucht hatte.
    Er winkte jetzt lebhaft mit dem losen Ärmel seines Stummelarmes und gab Zeichen, aus denen sich schließen ließ, daß er einen Fund gemacht habe.
    Die Männer kehrten um. Als sie dicht heran waren, hielt ihnen Hanne Bogun einen Messingknopf entgegen.
    »Wo lag er?« fragte der alte Vitzewitz in lebhafter Erregung.
    Der Hütejunge, ohne Antwort zu geben, sprang wieder die Leiter hinauf und legte den Knopf auf dieselbe Stelle, von wo er ihn weggenommen hatte. Es war das Querholz, das dicht unter dem Fenster hinlief, und so konnte nicht wohl ein Zweifel sein, daß bei dem Zusammenbrechen des unteren Spaliers die scharfe Kante der oberen Latte den Knopf abgestreift hatte. Er war von einer französischen Uniform. In der Mitte ein N, während der Rand der Innenseite die Umschrift zeigte: 14 e Rég. de ligne.
    Berndt triumphierte, seine Vermutungen schienen sich bestätigen zu sollen, die Bauern stimmten ihm bei. Nur Kniehase schüttelte nach wie vor den Kopf. Es kam aber zu weiter keinen

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