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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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distinguierte Haltung; die drei anderen aber, die sich wenig um ihr Aussehen kümmerten, hatten die Mützen ins Gesicht gezogen und sich bis an die Ohren hinauf in ihre dicken gestrickten Shawls gewickelt. Schnökel, der bei Ostwind nicht sprechen konnte, blieb etwas zurück; Niedlich hielt Linie mit den beiden andern, aber nur mühsam, da er ein Trippler war.
    Das Gespräch wollte nicht gleich in Gang kommen; endlich begann Rabe, der mehr ausdauernd als schnell von Gedanken war:
    »Ich glaube doch, Stappenbeck, du hast ihn zu despektierlich behandelt. Ich hab's mir nämlich überlegt. Erstens ist er ein alter Mann, zweitens ist er ein Soldat, und drittens hat er die Schlacht bei Torgau gewonnen.«
    »Das hat er«, fiel Niedlich ein, der bestimmt ausgesprochenen Sätzen eines andern, besonders aber, wenn sie von Rabe kamen, gern zustimmte.
    Stappenbeck blieb stehen und pfiff seinem Hund. Kratzer kam in großen Sätzen heran, blaffte ein paarmal und jagte dann wieder, als wäre der böse Feind hinter ihm her, in wildem Zickzack über den in Schnee liegenden Windmühlenberg hin. »Seht«, sagte Stappenbeck, »so hat Klemm die Schlacht bei Torgau gewonnen. Immer die Beine in die Hand. Er ist gelaufen daß es eine Freude war.«
    »Aber er soll ja doch gesammelt haben«, nahm Rabe wieder das Wort. »Ich entsinne mich der Sache ganz genau. ›Wie heißt Er?‹ frug ihn der König, als er ihn die zerstreuten Grenadiere wieder in Reih und Glied bringen sah. ›Klemm, Euer Majestät.‹
    – ›Na, das ist brav, mein lieber Klemm;
ich
werd es Ihm nicht vergessen.‹ Und dann ritt der König weiter. Ich hab es ihn selber erzählen hören.«
    »Wen? Den König?«
    »Nein, Klemm.«
    Stappenbeck lachte. »Rabe, du hast bloß einen Fehler. Du glaubst alles. Ich kenn diesen Patron besser. Er ist nicht einer von den Grenadiers, die bei Torgau gesammelt
haben
, sondern einer von denen, die gesammelt worden
sind
. Und das mit des Alten Fritzen eigenhändigem Krückstock. ›Rackers, wollt ihr denn ewig leben?‹ An diesem allergnädigsten Zuruf hat unser Klemm seinen ehrlichen Anteil.«
    »Du kannst ihn nicht leiden, Stappenbeck, und auf wen du mal eine Pike hast –«
    »Den pik ich, aber diesen Feldwebel Klemm noch lange nicht genug. Er ist ein schlechter Kerl durch un durch. Eine Memme, ein Großmaul und ein Schnurrer.«
    »Ein Schnurrer?« fragte Rabe.
    »Ja, ein Schnurrer ist er«, fiel hier Niedlich ein, der rasch erkannt hatte, daß sich die Partie schließlich doch wieder zu Stappenbecks Gunsten entscheiden werde. »Ein Schnurrer ist er. Im Sommer sitzt er auf den Gütern fest, bei den Bredows und den Rohrs, die sind gutmütig; das ist denn so seine Weidezeit; un wenn so Anfang Dezember geschlachtet wird, da kommt er schon mit langen Neujahrswünschen, bloß damit er sich wieder in Erinnerung bringt. Er kriegt auch Almosen. Un was für welche! Ich hab ihn selber die Dukaten putzen sehen.«
    »Na, na«, sagte Rabe, »wenn er ein hilfsbedürftiger Mann ist –«
    »Ein Geizhals ist er un ein Schuft dazu«, nahm Stappenbeck, immer mehr sich ereifernd, wieder das Wort und zog den dicken Shawl, der ihn am Sprechen hinderte, etwas tiefer unter das Kinn. »Ich weiß, was ich sage; er wohnt bei meiner Frau Bruder im Hause; die kennen ihn; er ist ein Mantelträger, ein Spion.«
    »Na, na«, wiederholte Rabe.
    »Und wenn er kein Spion ist, was ich ihm nicht beweisen kann, wenn ich es auch fest und sicher glaube, so ist er doch eine undankbare Kreatur. Was Niedlich erzählt hat, wie er sich bei den havelländischen Adligen, die ich alle kenne von wegen der Borsten, immer wieder herausfuttert, das war vordem, un das war seine gute Zeit. Ich meine seine ehrliche Zeit. Denn ich bin auch nich so und gönne jedem seine Satte saure Milch un auch noch was dazu. Aber seit Anno sechs kennt unser Klemm die Havelländischen nich mehr. Un auch die andern nicht, wo er sonst sein feldwebliges Einlager hielt. Er hat die Herrschaft gewechselt. Das tut kein Hund nich. ›Kratzer!‹ Seht, da kommt er schon wieder. ›Kusch dich, Kratzer.‹ Es ist ein treues Tier. Aber dieser Klemm, keine acht Tage, daß die Löffelgarde durchs Hallesche Tor gezogen war, so war er schon liebes Kind mit all und jedem, drängte sich an die Generals und machte den Complaisanten. Da gab es denn Louisdors statt der Dukaten. Ein Schweifwedler ist er und ein Gelegenheitsmacher. Und wie er vor Jena die Franzosen samt ihrem Kaiser aufgefressen hat, so frißt er jetzt die Russen

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