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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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an; »ich habe sie von Kettlitz selber. Am 14. Oktober hatten wir die Affaire von Jena, und zehn Tage später war die französische Avantgarde in Berlin, Murat aber, damals noch Herzog von Berg, in Charlottenburg. Er hatte sich in den Zimmern eingerichtet, die nach der Parkseite hin liegen, dieselben, in denen Kaiser Alexander ein Jahr vorher gewohnt hatte. Der alte Kettlitz war außer sich und machte sich einen Plan. Um fünf Uhr war Diner im großen Saale, und das Bild König Friedrich Wilhelms I. sah ernst und unwirsch auf den neugebackenen Herzog, der neben Berg auch die altpreußisch-cleveschen Lande regierte. Es waren noch nicht viel französische Truppen in der Stadt. Da mit einem Male – die Trüffelpastete war eben aufgetragen – beginnt ein Geschmetter, und zwanzig Trompeten, mit Paukenschlag dazwischen, blasen den Hohenfriedberger Marsch. Ist es unter den Fenstern? Sind preußische Schwadronen in den Schloßhof eingeritten? Murat springt auf, um sich durch die Flucht zu retten. Aber keine Schwadronen sind da; endlich schweigt der Lärm, und alles klärt sich auf. Im Nebenzimmer, ein ganzes Trompetercorps in seinem Innern bergend, stand ein musikalischer Schrank, an dessen verborgener Feder der alte Kettlitz gedrückt hatte. Ich würde mich freuen, zur Vervollständigung seiner Sammlung diese Monstrespieluhr in die Hände unseres von Medewitz auf Alt-Medewitz übergehen zu sehen, freilich unter der einen Bedingung, in unserer Gegenwart nie die geheime Feder springen zu lassen. Ich liebe Trompeten, aber nur im Feld und Sonnenschein.«
    Der Domherr, unfähig, auf die Neckereien Bammes einzugehen, begleitete sie nur mit einem verlegenen Lächeln und fragte dann nach dem Schicksale des Kastellans.
    »Nun, der hätte kein Zietenscher sein müssen. Er log sich heraus, so gut er konnte. Unter allen Umständen hatte er das Gaudium gehabt, den großen Reiterführer, den Mamelukenvernichter, vor dem Hohenfriedberger Marsch auf der Flucht zu sehen. Das war im Oktober 1806. Damals hatte es noch was auf sich mit einem Marschall. Ich hoffe, sie sind seitdem billiger geworden. Aber billiger oder nicht, an dem Tage, wo mir meine Quirlsdorfer den ersten Marschall tot oder lebendig einbringen, leg ich dem Pfarracker zehn Morgen zu, obschon ich Seine Hochwürden nicht leiden kann.«
    »Aber Bamme, was haben Sie beständig mit Ihrem Geistlichen?« bemerkte Krach, der mit seinem eigenen Prediger auf einem guten Fuße stand, seitdem ihm dieser einen Streifen Gartenland ohne Entschädigung abgetreten hatte.
    »Er ist mir noch nicht gefällig gewesen«, antwortete Bamme scharf. »Diese Päckchenträger sind maliziöse Kerle, und je glauer sie aussehen, desto mehr. Der meinige ist ein Anspielungspastor.«
    »Das klingt, als ob Sie die Kirche besuchten, Bamme«, schaltete die Gräfin ein. »Ich wette, Sie haben seit zehn Jahren keine Predigt gehört.«
    »Nein, gnädigste Gräfin. Aber ich habe ein Tendre für Begräbnisse. Jeder hat so seine Andacht, ich habe die meinige; und es ärgert mich, durch allerhand plumpes Zeug darin gestört zu werden. Mit dem Jüngling zu Nain oder dem bekannten weiblichen Pendant desselben fängt er an, aber ehe fünf Minuten um sind, ist er bei Babel, bei Sodom und ähnlichen schlecht renommierten Plätzen, starrt mich an, läßt etwas Schwefel vom Himmel fallen und sagt dann mit erhobener Stimme: ›Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.‹ Und das alles an meine Adresse. So hat er es fünf Jahre getrieben. Aber seit letzte Ostern habe ich Ruhe.«
    »Nun?« fragte die Gräfin.
    »Wir hatten wieder ein Begräbnis, eine hübsche junge Dirne; es war also Jairi Töchterlein an der Reihe. Aber ihre Herrschaft währte nicht lange; schon auf halbem Wege war Pastor loci wieder bei Lot und seinen Töchtern und sah mich an, als wäre ich mit in der Höhle gewesen. Ich dachte, nun muß Rat werden. Und so lud ich ihn aufs Schloß, nicht zu einer Auseinandersetzung, sondern einfach zu Tisch. Als wir bei der zweiten Flasche waren – trinken kann er –, sagte ich: ›Und nun, Pastorchen, einen Toast von Herzen; stoßen wir an: Es lebe Lot! Ein guter Kerl. Schade mit den beiden Töchtern. Und die Mutter kaum in Salz. Apropos, wie hieß doch der Sohn der ältesten Tochter?‹ Nun denken Sie sich meinen Triumph, er wußt es nicht. Vielleicht war er bloß verwirrt. Ich aber, mich an seiner Verlegenheit weidend, schrie ihm ins Ohr: ›Bamme.‹ Wir haben seitdem schon drei Leichen gehabt,

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