Vor dem Urknall
denken verändern. Aber seriöse Physiker haben noch viel seltsamere Bilder der Wirklichkeit und ihrer Ursprünge entworfen. Mit ihnen wollen wir uns zum Schluss beschäftigen.
[zur Inhaltsübersicht]
12. Das Schnappschuss-Universum
Die Vorstellung eines unteilbaren, letztgültigen Atoms ist für den Laien unfassbar. Wollen wir die Idee hinter dem Atom überhaupt begreifen, sollten wir uns vorstellen, dass es in zwei Hälften geschnitten werden kann. Tatsächlich könnten wir es überhaupt nicht verstehen, bevor wir es uns nicht genau so vergegenwärtigten. Das einzig wahre Atom, das einzige Objekt, das wir nicht aufteilen und entzweischneiden können, ist das Universum.
Samuel Butler (1835–1902),
The Notebook of Samuel Butler
(H. Festing Jones, Hg.)
Woran denken Sie, wenn Sie das Wort «Hologramm» hören? An die Regenbogenfarbtöne, die von der Sicherheitsmarkierung einer Kreditkarte reflektiert werden? An ein geisterhaft dreidimensionales grünes Bild, das wie ein Fenster auf eine echte Aussicht wirkt? An die 3- D-Projektion von Prinzessin Leia durch R 2 D 2 gleich zu Beginn der ersten Folge der Filmreihe «Krieg der Sterne»? Mit Ausnahme vielleicht des Letzten geht es bei all diesen Beispielen um die Erzeugung eines dreidimensionalen Bildes aus einer flachen, zweidimensionalen Oberfläche.
Einige Physiker glauben, das ganze Universum sei holographisch, die drei Raumdimensionen, die wir zu erleben glauben, seien in Wirklichkeit Teil einer äußerst anspruchsvollen Projektion: nicht die Sicherheitsmarkierung einer intergalaktischen Bank oder eine seltsame 3- D-Filmvorführung der Götter, sondern ein unerwarteter Aspekt der Natur. Das heißt, die drei Raumdimensionen, die wir zu erleben glauben, existieren in Wirklichkeit gar nicht. Sollte das stimmen, dann müssen Universum, Urknall und alle anderen Dinge völlig anders betrachtet werden. Bevor wir sehen können, was das bedeutet, müssen wir erst einmal ein wenig besser verstehen, was ein Hologramm ist.
Drei Dimensionen in zwei
Das Hologramm ist ein gutes Beispiel für eine Idee, die sich ergab, bevor die Technik zur Konstruktion bereitstand. Bei der Produktion aller heutigen Hologramme kommen Laser zum Einsatz, aber die Idee für das Hologramm kam dem in Ungarn geborenen britischen Wissenschaftler Dennis Gabor, fast 20 Jahre bevor der Laser Wirklichkeit wurde. Bald nach dem Zweiten Weltkrieg dachte Gabor darüber nach, wie wir Objekte sehen. Es ist so alltäglich, dass wir es als selbstverständlich voraussetzen, aber viele der besten Ideen in Wissenschaft und Technik entstehen aus einem genaueren Blick auf vermeintlich alltägliche Dinge.
Stellen Sie sich vor, Sie blicken durch ein Glasfenster und sehen eine Kaffeetasse auf dem Tisch stehen. Von der linken Seite aus betrachtet, haben Sie eine bestimmte Sicht auf die Tasse, vielleicht sehen Sie den Henkel und die Vorderseite. Bewegen Sie sich nach rechts, verändert sich die Sicht allmählich, weil jetzt unterschiedliche Winkel des dreidimensionalen Objekts ins Blickfeld geraten. Das für die unterschiedlichen Ansichten erforderliche Licht fällt auf das Fensterglas. Falls es also eine Möglichkeit gäbe, einen Schnappschuss des ganzen Lichts zu machen, von jedem Lichtstrahl (oder vielmehr von jeder Photonensequenz), der von der Tasse zum Glas wandert, sollte es gelingen, den Blick vom Fenster neu zu erschaffen mit einem Bild, das sich verändert, sobald Sie einen anderen Blickpunkt einnehmen.
Um all die Photonen aus unterschiedlichen Richtungen zu bewältigen, müssten Sie nicht nur unterscheiden, wie hell ein bestimmter Punkt ist, wie es ein normaler Fotograf tut, sondern auch die Phase der Photonen kennen, eine Eigenschaft des Photons, die sich mit dem Lauf der Zeit verändert und die der Position der Welle entspricht, sollten Sie das Licht als Welle betrachten.
Um das zu bewerkstelligen, stellte Gabor sich vor, einen zweiten Lichtstrahl zu verwenden, der direkt auf das Glas fällt. Die beiden Strahlen – der von der Tasse abprallende und der aufs Glas gerichtete Strahl – erzeugen Interferenzen miteinander wie Lichtstrahlen, die durch ein Paar von Schlitzen gehen, wie in Youngs Schlitzexperiment, das häufig in Schulen demonstriert wird. Das vielleicht einfachste Bild einer Interferenz entsteht, wenn Sie ein Paar Kieselsteine in einen glatten, stillen Teich werfen. Jeder Stein wird eine kreisförmige Anordnung von Wellen hervorrufen, die sich ausbreiten.
Eine Zeitlang breiten sich
Weitere Kostenlose Bücher