Vor uns die Nacht
fallen. »Keine Ahnung. Aber hier werde ich nicht mehr sein. Und meine Eltern sollen ihr Leben gefälligst alleine auf die Reihe kriegen.«
Endlich, denke ich traurig und auch befreit, als ich in meinem Zimmer stehe und höre, wie die Haustür zuschlägt und auf dem Bürgersteig Jonas’ Vespa angeworfen wird. Johanna und Jonas haben sich gefunden, schneller, als ich dachte.
Und ich kann gehen.
Passt gut, die beiden im Sommerlook und so nah beieinander, er vorne, Johanna hinter ihm, ihre zarten Arme um seinen Bauch gelegt. Sie lächeln. Ich sehe es vor mir, ohne aus dem Fenster zu schauen. Ein schönes Bild. Es hat Zukunft.
Ich aber muss meinen eigenen Morgen mit seinen passenden Bildern erst noch finden.
Die helle Seite der Nacht
D u schläfst nicht gerne zusammen, was?«
Jan gießt sich einen üppigen Schuss Milch in seinen Kaffee und stützt seine nackten Fußsohlen am Rand des Couchtischs ab, um sich dann bequem zurückzulehnen und an der Tasse zu nippen. Er ist noch nicht ganz wach und hat keine Lust zu reden. Das würde auch ein emotionaler Trampel bemerken, aber ich habe die halbe Nacht mit dieser Frage zugebracht.
Nach seinem Laufstegjob fuhr er noch bei mir vorbei und fragte, ob ich mit ihm Fußball schauen mag, er habe das FCK-Spiel vom Nachmittag aufgezeichnet. Ich weiß nicht, was ich denkwürdiger fand – dass er meinte, mich würde die zweite Bundesliga interessieren, oder dass er bei mir klingelte, als wäre das eine völlig normale Sache. Und dieses Mal war Jonas zu Hause. Aber ich sagte Ja, obwohl ich mir dessen bewusst war, dass es nur eine neuerliche Flucht war und ich selbst viel zu müde und durcheinander, um mich auf einen hin und her laufenden Ball zu konzentrieren. Jan gähnte selbst fast ununterbrochen, auf seiner Nase schimmernde Reste von Bronzepuder und die Haare äußerst verwegen in eine betonierte Form gebracht. Noch in der ersten schweigsamen und kriminell langweiligen Halbzeit muss ich mit dem Kopf in seinem Schoß eingeschlafen sein. Ich wachte erst mit dem Röhren der Müllabfuhr im Morgendämmer wieder auf – nicht in seinem Bett, sondern auf der Couch.
Er hat mich schon einige Male in sein Bett getragen; das kann er, auch nach einem anstrengenden Tag. Im Moment bin ich sowieso ein Fliegengewicht. Aber er ließ mich hier liegen. Hatte ich nicht immer den Verdacht gehegt, es war ihm recht, dass ich irgendwann nach dem Sex verschwunden bin? Ausgesprochen hat er es nie, aber sein »Ich will alleine schlafen« war omnipräsent für mich. Die Nacht bei mir im Bett zähle ich nicht. Ich durfte lediglich seinen Rücken anblicken und seinem komatösen Schnarchen zuhören. Er hätte auch auf dem Flickenteppich im Flur geschlafen, wenn sich kein anderer Platz gefunden hätte. Also habe ich ihn nun direkt gefragt, um mir weitere Gedankenschiebereien zu ersparen.
»Du meinst, nebeneinander?«, hakt er nach einem weiteren Schluck Kaffee nach.
»Ja, so, wie Paare und Liebende das tun«, erwidere ich leicht gereizt. »Wofür Ehebetten eben da sind.«
»Keine gute Erfindung, wenn du mich fragst. Ehebetten.«
»Aber du hast eines! Du hast ein Ehebett.«
Jan stellt den Kaffee auf dem Tisch ab und fährt sich gähnend durch sein verstrubbeltes Haar.
»Ich hab ein breites Bett, weil ich breite Betten mag. Für mich alleine. Wälze mich viel rum nachts.«
Okay, so führt das zu nichts. Ich muss es anders probieren.
»Warum kannst du es nicht ertragen, wenn ich nachts neben dir liege?«, versuche ich mich an einem neutralen Ton, doch meine Frage ist nicht neutral und er merkt das auch.
»Ich kann es wohl ertragen, Ronia. Aber ich glaub, dass es besser ist, wenn man in seinem eigenen Saft gärt und in seiner eigenen Aura bleibt. Ich hab viel zu tun in meinen Träumen.« Wieder mal ein Jan-Satz, den ich nur fühlen, aber nicht mit dem Kopf begreifen kann. »Man muss das ja nicht bewerten. Es ist einfach so. Fühlst du dich zurückgewiesen dadurch?«
Das »Ja« liegt mir auf der Zunge, doch ich sende es nicht ab, sondern versuche, ehrlich und offen in mich hineinzuhorchen. Als ich heute früh aufwachte und realisierte, dass ich auf dem Sofa lag, fühlte ich mich weinerlich und verletzt. Aber mag ich es in Wahrheit nicht auch, mich nach Herzenslust ausstrecken und drehen und wenden zu können, ohne Rücksicht nehmen zu müssen? Schlafe ich nicht viel ruhiger ohne einen Mann neben mir? Und bin ich heute früh nicht entspannt und erholt aufgewacht wie lange nicht mehr?
»Hm«, mache ich
Weitere Kostenlose Bücher