Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)
sich. Jetzt vermisste ich die kleinen Strände von West Island Beach, die langsame Bedienung in
Pop‘s Café
und den schrillen Akzent Neuenglands.
Doch wie es aussah, hatte ich nur noch Erinnerungen daran.
Obwohl ich Ausschau hielt. Ich sah mich nach alleinstehenden Dozenten um, wenn ich tagsüber zu Seminaren und Schreib-Workshops auf den Campus ging und abends bei Dichterlesungen in Cafés. Doch wohin ich auch ging, zu haben war keiner.
Entweder sie waren verheiratet, in einer Beziehung, geschieden mit Kindern, zu alt, zu jung oder schwul. Republikaner, Arbeitslose, Muttersöhnchen, Atheisten oder Fans von den Giants. Und dann musste ich mich ja auch fragen, ob ich eigentlich einen besonders offenen Eindruck machte. Denn keiner von ihnen war Andrew.
Heute Abend gab es keine Veranstaltung, ich konnte nirgends hingehen, und in meinem Kühlschrank und Portemonnaieherrschte gähnende Leere. Ich musste Essays lesen, Wäsche waschen, Rechnungen zahlen, die Wohnung sauber machen, denn auf den Möbeln lag schon eine Staubschicht. Keine Anrufe, E-Mails oder Briefe.
Mein Gott, es muss doch etwas Besseres geben. Das ist einfach nicht genug. Nicht mehr.
Das dachte ich, als ich durch die Uniflure und über eisige Bürgersteige zum Zug lief.
Und da nahm alles seinen Anfang.
Kapitel zwei
MÄRZ
Der Westford-Langley-Verlag veranstaltete ein Seminar und eine Messe für Lehrbücher in der Stadt. Es ging um die letzten Entwicklungen des Einsatzes von elektronischen Mappen im Schreibunterricht. Maggie und ich mochten diese Seminare – sie gaben uns die Gelegenheit, uns über Theorien auszutauschen, einige unserer Lieblingskollegen aus der akademischen Welt wiederzutreffen, die neuesten Lehrbücher anzusehen und Kontakte zu knüpfen. Jayce, eine befreundete Kollegin, und Maggie saßen auf den beiden schwarzen Stühlen mit den hohen Lehnen, die ich bei der Heilsarmee für zwanzig Dollar das Stück aufgegabelt hatte. Maggie war einen Meter siebenundsiebzig groß und breitschultrig, hatte einen langen Oberkörper und lange Beine. Sie trug die Haare glatt und wasserstoffblond, dazu eine Drahtbrille und makelloses Make-up. Ihr Auftreten war einschüchternd, ihre Stimme tief und voll, dabei war sie sanft wie ein Kätzchen. Jayce hingegen war dünn wie Papier und zierlich, mit glatter, dunkler Haut und unwahrscheinlich schick. Sie hatte ihr Leben lang in Brooklyn gelebt, und man würde sie eher für die Redakteurin eines Modemagazins halten als für eine Schreibprofessorin.
»Andi, komm nach dem Seminar mit zur Cocktailparty«, forderte Jayce mich auf.
»Ach, ich weiß nicht. Cocktailpartys sind nicht so mein Ding«, gab ich zurück.
»Sie trinkt nichts«, erklärte Maggie.
»Na und?«
»Ich will nicht die Einzige sein, die nüchtern ist«, sagte ich. »Du weißt schon, es ist eine einzige Fleischbeschau und Angeberei, und je betrunkener du bist, desto wahrscheinlicher wirstdu von Joe Doolittle angemacht, und es ist dir auch noch ganz egal.«
»Na ja«, sagte Jayce. »Wenn er einen festen Vertrag hat, würde ich’s mir vielleicht gefallen lassen.«
»Dann trinke ich eben auch nichts«, bot Maggie an. Maggie ist der Typ, der dir hundert Dollar gibt, wenn du ihr erzählst, du müsstest hundert Lotterielose kaufen, um deine Gewinnchancen zu erhöhen.
»Komm einfach mit«, sagte Jayce noch einmal. »Du musst doch nichts trinken. Einfach nur Leute gucken. Es ist super, um Netzwerke zu knüpfen.«
Man kann mich immer von der Notwendigkeit überzeugen, Netzwerke zu knüpfen.
Die Cocktailparty fand nach dem Seminar im National Arts Club im Gramercy Park statt. Die meisten Seminarteilnehmer waren übers Wochenende noch dageblieben. Maggie, Jayce und ich fanden einen kleinen Thai-Imbiss, wo wir schnell etwas zu Abend aßen, bevor wir in den Club zurückgingen, um uns frisch zu machen. Natürlich kamen wir vornehm zu spät. Jayce mischte sich sofort mit einer
Cosmopolitan
unter die Leute. Maggie bestellte sich eine Weißweinschorle. Ich nippte langsam an meinem Ginger Ale. Wir setzten uns an einen Tisch, der nicht zu sehr im Zentrum stand, aber auch nicht zu weit vom Geschehen entfernt war. Dort blieben wir eine Weile. Leute kamen zu uns, und wir unterhielten uns übers Unterrichten, dann beobachteten wir die Leute.
»Wisst ihr, James Kirkland ist gar nicht so groß, wie er am Rednerpult wirkt«, bemerkte ich, als er mit zwei Professorinnen von der New Yorker Uni herumblödelte.
»Stimmt. Und ist euch mal dieses kurze Schnaufen
Weitere Kostenlose Bücher