Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)
drehte ich mich um. Dort stand Versace mit einem blendenden Lächeln.
Ich musste den Hals recken, um ihm in die Augen sehen zu können, so groß war er. Gott, seine Augen waren unglaublich. Nicht braun. Sienafarben.
»Ja, schon. Es ist lange her, dass ich auf einer Cocktailparty war«, sagte ich.
»Müssen Sie noch fahren?«
Ich sah ihn verblüfft an. »Wie bitte?«
»Sie halten sich schon den ganzen Abend an diesem einen Ginger Ale fest. Ich hab mich nur gefragt, ob man Sie vielleicht zur Fahrerin bestimmt hat.«
»Nein, ich bin mit dem Zug aus Long Island gekommen, aber heute übernachte ich bei einer Kollegin in Brooklyn.«
Warum nannte ich Maggie eine Kollegin und nicht Freundin? Wollte ich irgendwie professioneller klingen und nicht so sehr wie ein Schulmädchen bei einer Tanzveranstaltung?
»Ich bin Devin«, sagte er und hielt mir die Hand hin.
Zur Hölle, was für ein Name war das denn?
»Andrea«, antwortete ich. Er hatte einen festen Händedruck, ohne zu quetschen. Ein schneller Blick auf seine Hand verriet mir, dass er sich die Nägel feilte.
»An welcher Uni unterrichten Sie?«
»Ich bin erst vor sechs Monaten an die Uni in Brooklyn gekommen.«
»Und Sie leben auf Long Island?«
»Ja, bin gerade erst nach zehn Jahren in Neuengland wieder hierher zurückgezogen.«
»Wow«, sagte er. »Ich würde mir gerne das Herbstlaub da oben ansehen.«
»Ja«, sagte ich und ließ mich auf den Small Talk ein. »Es ist wirklich wunderschön.«
Mann, wie lange brauchte die denn für das Ginger Ale?
»Ich hab Sie mit Allison gesehen«, sagte ich. »Sie ist die Verlagsvertreterin, die uns eingeladen hat. Meine Kollegin und ich kommen gerade mit ihr ins Geschäft. Wir wollen ein Lehrbuch für sie schreiben …«
»Nur ’ne Freundin«, unterbrach er mich. Genau in dem Moment kam Allison auf uns zu und blitzte uns wütend an. Sie sah wie ein Abziehbild von Carol aus, nur jünger und ohne Seidenschal. Nur ’ne Freundin? Von wegen …
»Na ja«, sagte ich. »Ich hab Sie ja gar nicht gefragt, aber jetzt, wo Sie es erwähnen, glaube ich, Ihre Freundin will etwas mehr Aufmerksamkeit.«
Er sah zu ihr herüber und machte ihr ein Zeichen, dass er dabeiwar, ihr einen Drink zu besorgen. Dann zwinkerte er ihr zu. Was für ein Spieler, dachte ich. Umwerfend. Aber viel zu selbstverliebt.
Dann stand Allison mehr oder weniger zwischen uns. »Darling, ich möchte bald gehen, okay?«
»Gerne, Ali«, sagte er, küsste sie auf die Wange und nahm sie in den Arm. Ich konnte es nicht genau erkennen, aber ich meinte zu sehen, wie sie ihn in die Wange kniff.
»War nett, Sie kennengelernt zu haben, Andrea. Willkommen in New York.« Wieder schüttelte er mir die Hand.
In den sechs Monaten, in denen ich wieder zu Hause war, hatte mich niemand – nicht einmal meine Mutter – willkommen geheißen.
»Das wünsche ich Ihnen auch«, antwortete ich, als er mit Allison Arm in Arm davonging. Maggie grinste mich an.
»Was hat er zu dir gesagt?«, fragte sie mich.
»Ach, der ist beknackt«, antwortete ich. »Er wollte mich anbaggern.«
»Woher weißt du das?«
Ich wusste es nicht. Ich nahm es einfach nur an.
»Er hat darauf bestanden, dass Allison und er
nur Freunde
seien. Mann, mach mal halblang. Er ist ein Charmeur.«
»Aber er macht seinen Job offensichtlich gut.«
»Jeder macht irgendwas richtig gut.«
»Ich hab mal recherchiert«, sagte Maggie. »Angeblich kommt er tatsächlich ganz gut rum. Und du hattest recht: Er ist wirklich ein Callboy. Ungefähr vor einem Jahr oder so hat eine der Verlagsvertreterinnen mit ihm vor einer Professorin angegeben – und schon war er heiß begehrt. Selbst Jayce hat von ihm gehört. Sie hat ihn zwar nie, na ja,
benutzt
oder so. Aber sie hat ihn mit den anderen gesehen. Ich möchte bloß mal wissen, wie
wir
so lange außen vor geblieben sind.«
»Und was macht er? Begleitet er sie einfach nur? Oder macht er mehr?«
»So wie die Frauen ihn ansehen, würde ich sagen, er macht alles.«
Eins war sicher, dieser Typ würde mir nicht über die Schwelle kommen.
Maggie wohnte in einer Einzimmerwohnung in Brooklyn, rund sechs Straßen von der Uni entfernt, und ich übernachtete oft bei ihr, wenn wir zu einer Veranstaltung in der Stadt gingen. Als ich mich unter der ausgebleichten folkloristischen Quiltdecke auf ihrer Couch einkuschelte, dachte ich an Devin und sein Lächeln. Diese Funken, die in den Flecken seiner Iris aufgeblitzt waren. Der Anzug von Versace und der feine Stoff des
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