Vorkosigan 01 Die Quaddies von Cay Habitat
zustimmen.
Das Giftstofflager war ein kühles Modul, das keinerlei Verbindungen mit dem Rest des Habitats hatte außer einer Luftschleuse aus dickem Stahl, die aus drei Kammern bestand und immer geschlossen war. Leo ging hinein und traf dort einen der Quaddies seiner Schweißer-und Lötertruppe, der noch mit der Rekonfiguration des Habitats beschäftigt war und gerade herauskam.
»Wie geht es voran, Agba?«, fragte Leo ihn.
»Ziemlich gut.« Agba sah müde aus. Rote Linien zogen sich
über sein gelbbraunes Gesicht und seine gelbbraune Haut und verrieten, daß er bis vor kurzem längere Zeit seinen Arbeitsanzug getragen hatte. »Diese blöden gefrorenen Klampen haben uns wirklich aufgehalten, aber jetzt sind wir mit ihnen so gut wie fertig.
Wie geht Ihre Sache voran?«
»Ganz gut soweit. Ich bin hergekommen, um den Sprengstoff
vorzubereiten; so weit sind wir schon. Weißt du noch, wo wir, verdammt noch mal, in diesem ganzen Verhau …« – die gekrümmten Wände des Moduls waren mit Vorräten vollgepackt –
»den Flüssigsprengstoff aufbewahren?«
»Der war da drüben«, erwiderte Agba und deutete mit dem Kopf.
»Gut …« Plötzlich hatte Leo ein flaues Gefühl im Magen. »Was meinst du damit, war?« Er meint nur, daß das Zeug umgeräumt wurde, versuchte Leo sich hoffnungsvoll einzureden.
»Na ja, wir haben ihn ganz schön schnell verbraucht, beim
Aufsprengen der Klampen.«
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»Aufsprengen? Ich dachte, ihr würdet sie abschneiden.«
»Haben wir zuerst gemacht, aber dann hat Tabbi herausgefunden, wie man eine kleine Ladung hinpackt, die sie an der Linie der Vakuumverschmelzung aufknackt. Etwa die Hälfte davon sind
wiederbenutzbar. Die andere Hälfte ist nicht stärker beschädigt, als wenn wir sie durchgeschnitten hätten.« Agba schien sehr stolz auf sich zu sein.
»Ihr habt doch sicher nicht alles dafür verwendet, oder?«
»Na ja, ein bißchen wurde verschüttet. Draußen natürlich«, fügte Agba hinzu, der Leos entsetzten Blick mißverstand. Er hielt Leo eine verschlossene Halbliterflasche vor die Nase. »Das ist der letzte Rest. Ich nehme an, damit wird die Sache zum Ende kommen.«
»Grr!« Leo grapschte nach der Flasche und drückte sie an seinen Bauch wie ein Mann, der eine Granate unschädlich machen
möchte. »Die brauche ich! Die muß ich haben!« Ich muß zehnmal soviel haben! heulte er innerlich stumm auf.
»Oh«, sagte Agba, »tut mir leid.« Er blickte Leo völlig unschuldig an. »Bedeutet das, daß wir die Klampen wieder durchschneiden müssen?«
»Ja«, quiekte Leo. »Geh!« fügte er hinzu. Ja, bevor er selbst explodierte.
Mit einem unsicheren Lächeln verdrückte sich Agba wieder
durch die Luftschleuse. Sie schloß sich und ließ Leo einen Moment allein, damit er in Ruhe Luft holen konnte.
Denk nach, Mann, denk nach! sagte Leo zu sich selbst. Keine Panik! Etwas rumorte in seinem Hinterkopf, ein schwer faßbares Faktum, das ihm zu sagen versuchte, daß dies nicht das Ende war, aber er konnte sich im Augenblick nicht daran erinnern. Er ging seine Berechnungen noch einmal in Gedanken sorgfältig durch 321
und benutzte zum Rechnen die Finger (ach, wenn er jetzt doch ein Quaddie wäre!), aber unglücklicherweise wurde seine anfängliche Befürchtung bestätigt.
Die Umformung des Titanrohlings mittels einer Sprengung in die komplexe Form des Vortex-Spiegels erforderte, außer allerhand Distanzstücken, Ringen und Klampen, drei hauptsächliche Teile: die Gußform aus Eis, den Metallrohling und den Sprengstoff zur Vermählung der beiden. Eine Mußheirat, in der Tat. Und welches ist der wichtigste Fuß eines dreibeinigen Schemels? Natürlich der, der fehlt. Und er hatte gedacht, der Plastiksprengstoff wäre der leichteste Teil …
Verzweifelt begann Leo das Giftstofflagermodul systematisch durchzugehen und seine Vorräte zu überprüfen. Eine Extraflasche des Sprengstoffs war vielleicht irgendwo falsch abgestellt worden.
Leider waren die Quaddies nur allzu gewissenhaft bei ihrer Lagerkontrolle. Jeder Behälter enthielt nur, was sein Etikett verkündete, nicht mehr, nicht weniger. Agba hatte sogar das Etikett auf diesem Behälter auf den neuesten Stand gebracht: Inhalt: Flüssigsprengstoff Typ B-2, Halbliterflaschen. Menge: 0.
Da stolperte Leo buchstäblich über ein Faß mit Benzin. Nein, sechs Fässer von dem verdammten Zeug, das irgendwie hier gelandet und jetzt fest an die Wände gezurrt war. Gott allein wußte, wohin der Rest der hundert Tonnen geraten war. Leo
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