Vorkosigan 09 Waffenbrüder
Fingerspitzen. Ein Mann in den frühen Dreißigern, vermutete Miles.
Aber warum schaut der Kerl mich an, als wäre ich ein Hündchen, das gerade auf seinen Teppich gepinkelt hat? fragte sich Miles. Ich bin doch gerade erst angekommen. Ich hatte noch gar keine Zeit, ihn zu beleidigen. O Gott, ich hoffe, er ist keiner von diesen hinterwäldlerischen Provinzlern von Barrayar, der mich für einen Mutanten hält, für einen, der einer verpfuschten Abtreibung entkommen ist …
»So, so«, sagte der Hauptmann und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Sie sind also der Sohn des Großen Mannes, oder?«
Miles Lächeln wurde starr. Ein roter Nebel umwölkte seine
Sicht. Er hörte sein Blut in den Ohren pochen wie einen Trauermarsch. Elli, die ihn beobachtete, stand ganz still und atmete kaum.
Miles' Lippen bewegten sich, er schluckte. Er setzte noch einmal an zu sprechen. »Jawohl, Sir«, hörte er sich wie aus großer Entfernung sagen. »Und wer sind Sie?«
Es war ihm gerade noch gelungen, nicht zu sagen: »Und wessen Sohn sind Sie?« Die Wut, die sich in seinem Bauch zusammenballte, durfte sich nicht zeigen; schließlich würde er mit diesem Mann zusammenarbeiten müssen. Vielleicht war es nicht einmal eine absichtliche Beleidigung gewesen. Konnte es gar nicht gewesen sein. Wie hätte dieser Fremde wissen können, wieviel Blut Miles geschwitzt hatte, indem er Beschuldigungen über Inanspruchnahme von Privilegien und Verleumdungen seiner Kompetenz niederrang? ›Der Mutant ist doch hier nur dabei, weil sein Vater ihn reingebracht hat …‹ Er konnte die Stimme seines Vaters hören, der Kontra gab: ›Um Himmels willen, Junge, laß dich nicht ins Bockshorn jagen!‹ Miles ließ mit einem langen, beruhigenden Atemzug die Wut aus sich entweichen und hob entschlossen den Kopf.
»Ach so«, sagte der Hauptmann, »ja, Sie haben ja nur mit
meinem Adjutanten gesprochen, nicht wahr. Ich bin Hauptmann Duv Galeni. Erster militärischer Attache an der Botschaft und 22
damit auch automatisch der hiesige Chef des Kaiserlichen Geheimdienstes wie auch des militärischen Sicherheitsdienstes. Und ich muß gestehen, ich bin ziemlich überrascht, daß Sie in meiner Befehlskette auftauchen. Mir ist nicht ganz klar, was ich mit Ihnen machen soll.«
Kein ländlicher Akzent war in der kühlen, gebildet und höflich urban klingenden Stimme des Hauptmanns. Miles konnte ihn nicht in der Geographie von Barrayar lokalisieren. »Ich bin nicht überrascht, Sir«, sagte Miles. »Ich selber hatte nicht erwartet, daß ich mich auf der Erde melden würde, und auch nicht so spät. Ursprünglich sollte ich mich im Kaiserlichen Sicherheitskommando im Hauptquartier für Sektor Zwei auf Tau Ceti melden, vor mehr als einem Monat. Aber durch einen Überraschungsangriff der
Cetagandaner wurde die Freie Dendarii-Söldnerflotte aus dem Lokalraum von Mahata Solaris vertrieben. Da wir nicht dafür bezahlt wurden, direkt gegen die Cetagandaner zu kämpfen, flohen wir und konnten über keine andere, kürzere Route zurück. Dies ist buchstäblich meine erste Gelegenheit, mich überhaupt irgendwo zu melden, seit wir die Flüchtlinge auf ihrer neuen Basis abgeliefert haben.«
»Ich war nicht …«, der Hauptmann hielt inne, sein Mund
zuckte, dann begann er erneut: »Ich war nicht darüber informiert, daß die außerordentliche Flucht von Dagoola eine verdeckte
Operation des barrayaranischen Geheimdienstes war. Kam das
Ganze nicht gefährlich einem ausgesprochenen Kriegsakt gegen das Reich von Cetaganda nahe?«
»Genau deshalb wurden die Dendarii-Söldner dafür eingesetzt, Sir. Tatsächlich sollte es eine etwas kleinere Operation werden, aber die Dinge gerieten ein bißchen außer Kontrolle. Das heißt, im Feld.« Hinter ihm hielt Elli ihre Augen geradeaus gerichtet und gab keinen Laut von sich. »Ich … äh … habe einen vollständigen Bericht dabei.«
Der Hauptmann schien innerlich mit sich selbst zu ringen.
»Worin besteht eigentlich die Beziehung zwischen der Freien Dendarii-Söldnerflotte und dem Kaiserlichen Sicherheitsdienst, 23
Leutnant?«, fragte er schließlich. Sein Ton klang fast vorwurfsvoll.
»Hm … was ist Ihnen schon bekannt, Sir?«
Hauptmann Galeni drehte seine Handflächen nach außen. »Ich
hatte nicht einmal von den Dendarii gehört, außer ganz nebenbei, bevor Sie mich gestern über Vid kontaktierten. Meine Unterlagen
– meine Sicherheitsunterlagen! – sagen genau drei Dinge über die Organisation. Sie sollen nicht angegriffen
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