Vorkosigan 14 16 17 Der Botschafter
Sie haben doch gesagt, dies wäre eine gute Zeit.
Ich bin doch nicht zu früh dran, oder? Ich dachte schon, ich käme zu spät. Der Verkehr war schrecklich. Sie werden doch in der Nähe sein, nicht wahr? Ich hab das hier
mitgebracht. Glauben Sie, dass ihr die Blumen gefallen?«
Die hervorstehenden roten Blumen kitzelten ihn an der Nase, als er sein Geschenk vorzeigte und dabei noch die - 14 -
zusammengerollte Folie umklammert hielt, die dazu neigte, sich jedes Mal zu entrollen und seiner Hand zu entschlüpfen, sobald er den Griff lockerte.
»Kommen Sie herein, ja, alles ist in Ordnung. Sie ist hier, ihr geht es gut. und die Blumen sind sehr schön …«
Die Professora rettete den Strauß, führte Miles in die geflieste Diele und stieß hinter ihm die Tür mit einem festen Fußtritt zu. Nach der Frühlingssonne draußen wirkte das Haus dämmerig und kühl. Es war erfüllt von einem feinen Duft nach Holzwachs, alten Büchern und einem Anflug von akademischem Staub.
»Bei Tiens Trauerfeier hat sie ziemlich blass und
erschöpft ausgesehen. Umgeben von all diesen
Verwandten. Wir hatten gar nicht die Gelegenheit, mehr als ein paar Worte auszutauschen.« Es tut mir Leid und Danke sehr. um genau zu sein. Nicht, dass er mit der Familie des verstorbenen Tien Vorsoisson hätte viel reden wollen.
»Ich glaube, es war für sie außerordentlich
anstrengend«, sagte die Professora verständnisvoll. »Sie hat so viel Schreckliches durchgemacht, und abgesehen von Georg und mir – und Ihnen – gab es niemanden, mit dem sie offen darüber reden konnte. Natürlich war ihr erstes Anliegen, Nikki möglichst unbeschadet durch alles hindurchzubringen. Aber sie hat es von Anfang bis Ende durchgestanden, ohne die Nerven zu verlieren. Ich war sehr stolz auf sie.«
»Ja, wirklich. Und ist sie …?« Miles reckte den Hals und schaute in die Zimmer, die von der Diele abgingen: ein voll gestopftes Studierzimmer gesäumt mit Bücherregalen, und ein voll gestopfter Salon gesäumt mit Bücherregalen.
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Keine jungen Witwen.
»Bitte hier entlang.« Die Professora führte ihn den
Korridor entlang und durch die Küche in den kleinen
rückwärtigen Garten. Ein paar große Bäume und eine
Ziegelmauer machten daraus einen abgeschiedenen
Winkel. Auf der anderen Seite eines winzigen Grasrondells saß an einem Tisch im Schatten eine Frau mit Folien und einem Lesegerät vor sich. Nachdenklich kaute sie am Ende eines Schreibstifts und hielt in ihrer Konzentration die dunklen Augenbrauen gesenkt. Sie trug ein wadenlanges Kleid, das in seinem Stil dem der Professora ähnelte, aber tiefschwarz war. Der hohe Kragen war bis zum Hals zugeknöpft. Ihr Bolero war grau, mit einer einfachen schwarzen Paspelierung am Rand. Das dunkle Haar hatte
sie im Nacken zu einem dicken Knoten geflochten. Als sie die Tür aufgehen hörte, blickte sie auf, zog die Brauen hoch und öffnete die Lippen zu einem aufblitzenden Lächeln, das Miles blinzeln ließ. Ekaterin.
»Mil… – Mylord Auditor!« Sie erhob sich mit flatterndem Rock; er verneigte sich über ihrer Hand.
»Madame Vorsoisson. Sie sehen gut aus.« Sie sah nicht
gut, nein, sie sah einfach wundervoll aus, wenn auch noch viel zu blass. Teilweise mochte das an dem strengen Schwarz liegen, das auch in ihren Augen ein leuchtendes Blaugrau erscheinen ließ. »Willkommen in Vorbarr Sultana. Ich habe hier etwas mitgebracht…« Er machte ein Geste, und die Professora stellte das Blumengesteck auf dem Tisch ab. »Allerdings scheint man das hier draußen kaum zu brauchen.«
»Die sind aber schön«, versicherte ihm Ekaterin und
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schnupperte anerkennend an den Blumen. »Ich bringe sie später in mein Zimmer hinauf, und dort werden sie sehr willkommen sein. Seit das Wetter sich aufgehellt hat, verbringe ich so viel Zeit wie möglich hier draußen, unter dem echten Himmel.«
Sie hatte fast ein Jahr in einer komarranischen Kuppelstadt eingeschlossen verbracht. »Das kann ich verstehen«, sagte Miles. Das Gespräch stockte kurz, während sie einander anlächelten.
Ekaterin fasste sich als Erste. »Danke, dass Sie zu Tiens Totenfeier gekommen sind. Das hat mir viel bedeutet.«
»Es war das Mindeste, was ich unter diesen Umständen
tun konnte. Es tut mir nur Leid, dass ich nicht mehr tun konnte.«
»Aber Sie haben schon so viel für mich und Nikki
getan…«Auf seine verlegen abwehrende Geste hin brach
sie ab und sagte stattdessen: »Aber wollen Sie sich nicht setzen? Tante Vorthys…?« Sie zog
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