Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
Vom Netzwerk:
hier sind seine Schuhe?«
    »Er ist tot. Dieser letzte Mord sollte so aussehen, als sei er dafür verantwortlich. Wollen Sie mir sagen, daß Sie nicht mal von ihm gehört haben?«
    »Ich bekomme gelegentlich eine Zeitung zu Gesicht, wenn ich Papier für profanere Verwendungszwecke benötige. Und in den Abfallkörben findet man reichlich davon. Aber ich lese sie nur selten. Sie bestärken mich in der Überzeugung, daß die Welt nichts für mich ist. Ich scheine Ihren Mörder verpaßt zu haben.« Er hielt inne und setzte dann noch hinzu: »Was erwarten Sie nun von mir? Wie ich vermute, bin ich Ihnen ausgeliefert.«
    »Wie gesagt, es ist nicht mein Fall«, gab Dalgliesh zurück.
    »Ich gehöre zur Metropolitan Police. Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, mit zu mir nach Hause zu kommen, könnte ich den diensthabenden Beamten anrufen. Es ist nicht weit. Ich wohne in der Larksoken-Mühle auf der Landzunge. Und wenn Sie nichts dagegen haben, könnte ich Ihnen wenigstens anbieten, Ihnen für diese Sportschuhe ein Paar von meinen eigenen einzutauschen. Wir sind ungefähr gleich groß; es müßte ein Paar darunter sein, die Ihnen passen.«
    Mit überraschender Wendigkeit kam Jonah auf die Füße. Als sie zum Wagen hinübergingen, sagte Dalgliesh: »Im Grunde habe ich kein Recht, Ihnen diese Frage zu stellen, aber stillen Sie doch bitte meine Neugier. Wie sind Sie in den Besitz dieser Schuhe gekommen?«
    »Sie wurden mir – unabsichtlich, würde ich meinen – irgendwann in der Nacht zum Montag sozusagen zu Füßen gelegt. Ich war nach Einbruch der Dunkelheit auf die Landzunge gekommen und hatte mich zu meinem üblichen Logis in dieser Gegend begeben. Das ist ein halbversunkener Einmann-Betonbunker in der Nähe der Klippen. Pillbox nennt man so was, glaube ich. Ich nehme an, Sie kennen ihn.«
    »Ich kenne ihn. Kein besonders bekömmlicher Ort zum Übernachten, würde ich sagen.«
    »Gewiß, ich habe Besseres gesehen. Aber er hat den Vorzug, daß man allein ist. Die Landzunge liegt abseits der üblichen Route meiner Mit-Wandersleute. Gewöhnlich komme ich einmal im Jahr hierher und bleibe höchstens ein bis zwei Tage. Der Bunker ist hundertprozentig wasserdicht, und da der Fensterschlitz aufs Wasser hinausblickt, kann ich ein kleines Feuer machen, ohne Entdeckung befürchten zu müssen. Ich schiebe den Unrat einfach beiseite und ignoriere ihn. Eine Methode, die ich Ihnen ebenfalls empfehlen möchte.«
    »Sind Sie direkt dort hingegangen?«
    »Nein. Ich habe zunächst, wie gewohnt, beim Alten Pfarrhof vorgesprochen. Das ältere Ehepaar, das dort wohnt, gestattet mir gewöhnlich liebenswürdigerweise, den Wasserhahn dort zu benutzen. Ich wollte meine Wasserflasche füllen. Zufällig war niemand zu Hause. Die unteren Fenster waren erleuchtet, aber niemand reagierte auf mein Klingeln.«
    »Erinnern Sie sich, um wieviel Uhr das war?«
    »Ich besitze keine Uhr und nehme kaum Notiz von der Zeit zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Doch ich bemerkte, daß die Kirchturmuhr von St. Andrew’s im Dorf auf 8 Uhr 30 zeigte, als ich vorbeikam. Dann war ich vermutlich um Viertel nach 9 beim Alten Pfarrhof, oder höchstens ein wenig später.«
    »Was haben Sie dann gemacht?«
    »Ich wußte, daß es draußen bei der Garage einen Wasserhahn gibt. Ich war so frei, mir dort auch ohne Erlaubnis die Flasche zu füllen. Die Leute würden mir klares Wasser, glaube ich, kaum mißgönnen.«
    »Haben Sie einen Wagen gesehen?«
    »Es parkte einer in der Einfahrt. Das Garagentor stand offen, aber wie gesagt, ich habe keinen Menschen gesehen. Anschließend ging ich direkt zum Bunker. Inzwischen war ich äußerst ermüdet. Ich trank einen Schluck Wasser, aß ein Stück Brot und etwas Käse und schlief ein. Die Schuhe wurden im Laufe der Nacht durch die Bunkertür hereingeworfen.«
    »Geworfen, nicht gestellt?« fragte Dalgliesh.
    »Ich nehme es an. Jeder, der den Bunker tatsächlich betrat, hätte mich sehen müssen. Es ist wahrscheinlicher, daß sie hereingeworfen wurden. An einer Kirche in Ipswich gibt es eine Tafel mit Bibelsprüchen. Letzte Woche hieß es dort: ›Gott gibt jedem Vogel seinen Wurm, aber Er wirft ihn nicht in sein Nest.‹ In diesem Fall hat Er das aber wohl doch getan.«
    »Und die Schuhe haben Sie getroffen, ohne daß Sie wach wurden? Die sind ziemlich schwer.«
    »Wie ich schon sagte, Sie reden wie ein Polizist. Ich war am Sonntag zwanzig Meilen gewandert. Und da ich ein gutes Gewissen habe, schlief ich tief und fest. Wenn

Weitere Kostenlose Bücher