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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Fensters hatte sie die behelmten Schergen daherkommen sehen. Jetzt lebte die Vergangenheit nur noch im Namen dieses Hauses weiter. Der ovale Tisch, die Stühle, das Wedgwood-Geschirr, die formschönen Gläser, all das stammte aus neuerer Zeit. Im Wohnzimmer, wo sie vor dem Dinner einen Sherry getrunken hatten, schien alles, was auf die Vergangenheit hätte verweisen können, ausgespart worden zu sein. Es enthielt nichts, was einen Einblick in die Privatsphäre der Besitzerin hätte gewähren können – keine Photographien oder Porträts, die Familienmitglieder zeigten, keine aus nostalgischen, sentimentalen oder pietätvollen Regungen heraus aufbewahrten, ramponierten Erbstücke, auch keine im Verlauf der Jahre gesammelten Antiquitäten. Selbst die wenigen Bilder – drei stammten unverkennbar von John Piper – waren modern. Die Möbel waren teuer, bequem, formvollendet, in ihrer Schlichtheit überaus elegant, wirkten aber dennoch nicht deplaciert. Doch der Mittelpunkt des Hauses war das nicht: Das war die geräumige, nach Herdfeuer riechende, heimelige Küche.
    Er hatte dem Tischgespräch nur mit halbem Ohr zugehört. Jetzt zwang er sich dazu, ein aufmerksamerer Gast zu sein. Man unterhielt sich über alle möglichen Themen. Vom Kerzenlicht beleuchtete Gesichter neigten sich einander zu. Die Hände, die Obst schälten oder am Weinglas spielten, waren so unterschiedlich wie die Gesichter. Alice Mair hatte kräftige, aber wohlgestaltete Hände mit kurzgeschnittenen Nägeln, Hilary Robarts schmale, mit breiten Fingerkuppen. Meg Dennisons zierlichen Händen mit den pinklackierten Nägeln merkte man ein wenig die Hausarbeit an.
    »Na gut, sprechen wir mal über ein Dilemma unserer Zeit«, sagte Alex Mair gerade. »Es ist bekannt, daß man versucht, mit Gewebe von abgetriebenen Föten die Parkinsonsche und Alzheimersche Krankheit zu heilen. Sicher finden Sie es ethisch akzeptabel, wenn es sich um eine natürliche oder legalisierte Fehlgeburt handelt, nicht aber, sollte sie einzig zum Zweck der Gewinnung von solchem Gewebe vorgenommen worden sein. Man könnte jedoch auch den Standpunkt vertreten, daß eine Frau, was ihren Körper betrifft, ein Entscheidungsrecht hat. Falls sie einen Menschen liebt, der an der Alzheimerschen Krankheit leidet, und ihm durch die Abtreibung eines Fetus helfen möchte – mit welchem Recht darf man ihr das untersagen? Ein Fetus ist noch kein Kind.«
    »Ihren Worten kann man entnehmen, daß die kranke Person ein Mann ist«, sagte Hilary Robarts. »Ich kann mir schon denken, daß er es einfach als sein Recht ansieht, den Körper einer Frau auf diese Weise zu benutzen. Aber darf er das wirklich fordern? Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, daß eine Frau, die schon mal abgetrieben hat, dies nur um des Wohlbefindens eines Mannes willen abermals durchmachen möchte.«
    Ihre Worte klangen verbittert. Stille trat ein. »Die Alzheimersche Krankheit ist mehr als eine Störung des Wohlbefindens«, erwiderte Mair. »Ich befürworte das ja auch nicht. Nach der jetzigen Gesetzeslage wäre es ohnehin illegal.«
    »Würde Sie das stören?«
    Er blickte in ihre zornigen Augen. »Selbstverständlich würde mich das stören. Gott sei Dank ist das eine Entscheidung, die mir nie abverlangt werden wird. Aber wir sprechen nicht von Legalität, sondern von Moral.«
    »Gibt es da einen Unterschied?« warf seine Schwester ein.
    »Das ist ja eben die Frage, nicht? Gibt’s einen, Adam?«
    Das war das erste Mal, daß er Dalgliesh mit dem Vornamen anredete.
    »Sie gehen also davon aus, daß es eine absolute Moral gibt, unabhängig von den Zeitläufen oder den gesellschaftlichen Verhältnissen«, erwiderte Dalgliesh.
    »Würden Sie das nicht annehmen?«
    »Ich denke schon, aber ich bin kein Moralphilosoph.«
    Mrs. Dennison blickte vom Teller auf. Eine zarte Röte überzog ihr Gesicht, als sie sagte: »Ich halte nichts von dem Argument, daß eine Sünde dann gerechtfertigt ist, wenn sie begangen wurde, damit jemand, den wir lieben, davon profitiert. Man kann zwar eine solche Haltung vertreten, aber im allgemeinen ist man selbst der Nutznießer. Auch mich ängstigt die Vorstellung, daß ich für einen Alzheimer-Kranken sorgen müßte. Aber wollen wir denn, wenn wir die Euthanasie befürworten, tatsächlich Leiden beenden? Oder wollen wir uns dadurch nur den qualvollen Anblick eines dahinsiechenden Menschen ersparen? Mich stößt die Vorstellung ab, daß eine Schwangerschaft bewußt herbeigeführt und abgebrochen

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