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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug, der trotz sorgfältiger Verarbeitung den etwas schäbigen und abgetragenen Eindruck eines zum zweitbesten herabgestuften Kleidungsstücks machte. Dennoch wirkte er an seinem schlaksigen Körper seltsam städtisch und damit fehl am Platz und verlieh ihm das Aussehen eines Mannes, der für eine zwanglose Hochzeit oder für ein Einstellungsgespräch gekleidet ist, in das er wenig Hoffnung setzt. Von der nur unzulänglich kaschierten Feindseligkeit, der Bitterkeit über sein eigenes Versagen nach dem Tod des Whistlers und selbst der rastlosen Energie des Sonntagabends war nichts zu spüren. Dalgliesh fragte sich, ob er mit dem Chief Constable gesprochen und ihn um Rat gebeten hatte. Falls ja, konnte er sich vorstellen, wie dieser gelautet hatte. Es mußte derselbe gewesen sein, wie er ihn dem Mann erteilt haben würde.
    »Es ist ärgerlich, daß er sich in Ihrem Dienstbereich aufhält, aber er gehört zu den rangältesten Kriminalbeamten der Met und ist der Liebling des Commissioners. Und er kennt diese Leute, denn er war auf der Dinnerparty der Mairs. Er hat die Leiche gefunden. Er besitzt wichtige Informationen. Na schön, er ist ein Profi, er wird sie nicht zurückhalten, aber Sie werden sie leichter kriegen und sich genauso wie ihm das Leben angenehmer machen, wenn Sie endlich aufhören, ihn wie einen Rivalen oder, schlimmer noch, wie einen Verdächtigen zu behandeln.«
    Während er Rikkards einen Whisky reichte, erkundigte sich Dalgliesh nach dessen Frau.
    »Ihr geht’s gut, wirklich gut.« Aber sein Ton klang ein wenig gezwungen.
    »Jetzt, wo der Whistler tot ist, wird sie wieder nach Hause kommen, nehme ich an«, sagte Dalgliesh.
    »Sollte man meinen, nicht wahr? Ich möchte gern, sie möchte gern, aber es gibt da noch ein winziges Problem: Sues Mutter. Die will nämlich nicht, daß ihr Lämmchen mit so unangenehmen Dingen in Berührung kommt, vor allem Mord, und vor allem nicht gerade jetzt.«
    »Es ist aber recht schwierig, sich von unangenehmen Dingen, selbst von Mord, fernzuhalten, wenn man einen Polizeibeamten heiratet«, entgegnete Dalgliesh.
    »Meine Schwiegermutter war immer dagegen, daß Sue einen Polizeibeamten heiratet.«
    Dalgliesh war erstaunt über die Bitterkeit in Rikkards’ Ton. Abermals wurde ihm voll Unbehagen bewußt, daß man ihn um einen beruhigenden Zuspruch bat, und genau den konnte er ihm am allerwenigsten geben. Während er nach ein paar trostspendenden Worten suchte, warf er noch einmal einen Blick auf Rikkards Gesicht, auf diesen Ausdruck der Müdigkeit, ja fast der Kapitulation, auf die Falten, die im tanzenden Licht des Holzfeuers noch tiefer eingekerbt wirkten, und nahm Zuflucht zu eher praktischen Dingen.
    »Haben Sie schon gegessen?« erkundigte er sich.
    »Ich werde mir was aus dem Kühlschrank holen, wenn ich wieder zu Hause bin.«
    »Ich hab noch einen Rest Cassoulet, falls Sie das mögen. Den könnte ich Ihnen schnell aufwärmen.«
    »Dazu sage ich nicht nein, Mr. Dalgliesh.«
    Rikkards verschlang das Cassoulet von einem Tablett auf seinem Schoß so heißhungrig, als hätte er seit Tagen nichts mehr zu essen bekommen, und stippte die Sauce anschließend mit einer Brotkruste auf. Ein einziges Mal nur blickte er von seinem Teller hoch und fragte: »Haben Sie das selbst gekocht, Mr. Dalgliesh?«
    »Wenn man allein lebt, muß man wenigstens die Grundbegriffe des Kochens erlernen, wenn man sich, was die Freuden des Lebens betrifft, nicht von einem anderen abhängig machen will.«
    »Und das würden Sie bestimmt nicht wollen, nicht wahr? Von einem anderen abhängig sein, was die Freuden des Lebens betrifft.«
    Aber er sagte es ohne Bitterkeit und trug das Tablett mit dem leeren Teller lächelnd in die Küche hinaus. Sekunden später hörte Dalgliesh Wasser laufen. Rikkards spülte seinen Teller.
    Er mußte hungriger gewesen sein, als er geahnt hatte. Dalgliesh wußte, wie leicht man sich einreden konnte, man könne bei einem Sechzehnstundentag lediglich mit Kaffee und gelegentlich einem Sandwich sinnvoll arbeiten. Rikkards, der aus der Küche zurückkehrte, lehnte sich mit einem zufriedenen Grunzer gemütlich im Sessel zurück. Sein Gesicht hatte wieder Farbe bekommen, und als er sprach, klang seine Stimme wieder kraftvoll.
    »Ihr Dad war Peter Robarts. Erinnern Sie sich an ihn?«
    »Nein, warum? Sollte ich?«
    »Nicht unbedingt. Ich habe mich anfangs auch nicht erinnert, aber ich habe mich informiert. Er hat nach dem Krieg – den er

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