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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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sein. Rikkards fragte sich, ob die Copleys möglicherweise auf diese Art einen Vorteil aus der Sammlung zögen. Er wußte Bescheid über Kirchenbasare. Seine Ma hatte immer bei dem alljährlichen Basar geholfen. Die Helfer erwarteten, sich etwas aussuchen zu können; das war der Anreiz für sie. Und warum auch nicht? Laut sagte er: »Sie meinen, jeder Einheimische, der Kleidungsstücke braucht, möglicherweise für seine Kinder, weiß genau, daß er sie hier erwerben kann?«
    Sie errötete. Er merkte, daß seine Frage sie in Verlegenheit gebracht hatte. »Die Leute aus Lydsett warten gewöhnlich bis zum Hauptverkauf«, erklärte sie. »Es würde sich auch wohl kaum lohnen, aus dem Dorf herzukommen, nur um nachzusehen, was wir sammeln. Manchmal aber verkaufe ich an Leute von der Landzunge. Schließlich soll der Basar der Kirche helfen, und ich sehe keinen Grund, warum nicht schon vorweg etwas verkauft werden sollte, falls ein Einheimischer das eine oder andere Stück brauchen kann. Natürlich bezahlen sie alle den festgelegten Preis.«
    »Und wer kann von Zeit zu Zeit etwas gebrauchen, Mrs. Dennison?«
    »Mr. Blaney hat manchmal Kleider für seine Kinder gekauft. Und da eines von Mr. Gledhills Tweedjacketts Mr. Copley paßte, hat Mrs. Copley es gekauft. Vor vierzehn Tagen rief dann auch noch Neil Pascoe an, um sich zu erkundigen, ob wir für Timmy etwas Passendes hätten.«
    »War das, bevor Mr. Lessingham die Sportschuhe brachte, oder nachher?« erkundigte sich Oliphant.
    »Das weiß ich nicht mehr, Sergeant. Am besten fragen Sie ihn selbst. Wir haben beide nicht in die Schuhkiste gesehen. Mr. Pascoe interessierte sich für warme Spielanzüge für Timmy. Er hat zwei davon gekauft. Auf einem Regal in der Küche steht die Blechdose mit dem Geld.«
    »Dann bedienen sich die Leute also einfach selbst und hinterlassen das Geld?«
    »Aber nein, Chief Inspector! Das würde wirklich keinem einfallen.«
    »Und was ist mit den Gürteln? Können Sie sagen, ob einer von den Gürteln oder Riemen fehlt?«
    Mit einer Andeutung von Ungeduld antwortete sie: »Wie sollte ich? Sehen Sie doch selbst. In dieser Kiste herrscht ein totales Durcheinander: Riemen, Gürtel, alte Handtaschen, Schals. Wie soll ich da feststellen können, ob etwas fehlt oder wann es verschwunden ist?«
    »Wären Sie überrascht, wenn ich Ihnen sage, daß wir einen Zeugen haben, der die Sportschuhe am Vormittag des vergangenen Mittwochs in dieser Kiste gesehen hat?« fragte Oliphant.
    Der Mann verstand es wirklich, auch die einfachste und harmloseste Frage wie eine Anklage klingen zu lassen. Doch seine Taktlosigkeit, die manchmal an Unverschämtheit grenzte, war gewöhnlich sorgfältig berechnet, und da Rikkards ihre Wirkung kannte, machte er selten den Versuch, ihn zurückzupfeifen. Schließlich war es Oliphant gewesen, dem es beinah gelungen wäre, Alex Mairs Selbstbeherrschung zu erschüttern. Aber hier hätte er doch wohl daran denken müssen, daß er mit einer ehemaligen Lehrerin sprach. Mrs. Dennison schenkte ihm jenen freundlich-vorwurfsvollen Blick, der eher für ein ungezogenes Kind gepaßt hätte.
    »Ich glaube, Sie haben nicht sehr gut zugehört, Sergeant. Ich habe gesagt, daß ich nicht weiß, wann die Schuhe verschwunden sind. Und da das so ist – wieso sollte es mich überraschen, von Ihnen zu hören, wann sie zuletzt gesehen wurden?« Sie wandte sich an Rikkards: »Wenn wir noch weiterdiskutieren wollen – wäre es nicht angenehmer für uns alle, das im Salon zu tun, statt hier herumzustehen?«
    Rikkards hoffte, daß es dort wenigstens wärmer war.
    Sie führte sie durch den Flur in ein Vorderzimmer des Hauses, mit Blick nach Süden auf den unebenen Rasen sowie die Reihe von Lorbeerbüschen, Rhododendren und windzerzausten Sträuchern, hinter denen sich die Straße verbarg. Das Zimmer war groß und kaum spürbar wärmer als der Raum, den sie verlassen hatten, als könne selbst die kräftigste Herbstsonne nicht durch die in der Mitte senkrecht geteilten Fenster und die schweren Samtvorhänge dringen. Die Luft hier war ein bißchen muffig, es roch nach Möbelpolitur, Duftkugeln und ganz schwach nach Essen, als hinge immer noch das Aroma längst abservierter, viktorianischer Fünf-Uhr-Tees im Raum. Rikkards erwartete fast, das Rascheln von Krinolinen zu hören.
    Mrs. Dennison schaltete kein Licht ein, und Rikkards fand, daß er sie kaum darum bitten konnte. In diesem Dämmerlicht konnte er die Einrichtung nur ahnen: solide Mahagonimöbel,

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