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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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können; sie hatte Gelegenheit, sie auf dem Rückweg von Scudder’s Cottage in den Bunker zu werfen. Aber es gibt da noch etwas anderes, nicht wahr? Ich glaube, dieses Verbrechen wurde von einem Menschen begangen, der nicht wußte, daß der Whistler tot war, als er den Mord beging, es aber kurz danach erfuhr.«
    »Das ist genial, Mr. Dalgliesh.«
    Dalgliesh war versucht, zu entgegnen, es sei nicht genial, sondern nur logisch. Rikkards würde sich verpflichtet fühlen, Alice Mair noch einmal zu vernehmen, damit aber nichts erreichen. Außerdem war es nicht Dalglieshs Fall. In zwei Tagen würde er wieder in London sein. Jede weitere Schmutzarbeit, die das MI5 erledigt haben wollte, würden diese Leute selber tun müssen. Er hatte bereits mehr eingegriffen, als man strenggenommen rechtfertigen konnte, und ganz gewiß mehr, als ihm angenehm war. Er hatte sich gesagt, daß es unehrlich sei, entweder Rikkards oder dem Mörder die Schuld dafür zu geben, daß der größte Teil der Entscheidungen, die zu treffen er auf die Landzunge gekommen war, immer noch nicht getroffen war.
    Der unerwartete Anfall von Neid hatte eine leichte Verärgerung über sich selbst ausgelöst, die nicht gerade besser wurde, als er entdeckte, daß er das Buch, das er gerade las, A. N. Wilsons Tolstoi-Biographie, im obersten Raum des Mühlenturms vergessen hatte. Diese Lektüre schenkte ihm die Beruhigung und den Trost, die er gegenwärtig besonders brauchte. Die Haustür der Mühle fest gegen den anstürmenden Wind schließend, kämpfte er sich um den Turm herum, schaltete das Licht an und kletterte in den obersten Stock hinauf. Draußen heulte und kreischte der Wind wie eine Meute wild gewordener Dämonen, doch hier, in dieser kleinen Kammer mit dem Kuppeldach, war es außergewöhnlich still. Der Turm stand seit über einhundertfünfzig Jahren. Er hatte schon schlimmeren Stürmen getrotzt. Spontan öffnete er das Ostfenster und ließ den Wind herein wie eine brausende Reinigungskraft. Und dabei entdeckte er hinter der Steinmauer, die den Patio von Martyr’s Cottage abschloß, ein Licht im Küchenfenster. Aber es war kein gewöhnliches Licht. Während er hinblickte, flackerte es, erstarb, flackerte abermals und entfaltete sich zu einer roten Glut. Er hatte diese Art Licht schon oft gesehen und wußte, was es bedeutete: Martyr’s Cottage stand in Flammen.
    Er rutschte buchstäblich die beiden Leitern hinab, die die Mühlenböden miteinander verbanden, stürzte ins Wohnzimmer, wo er nur schnell nach Feuerwehr und Krankenwagen telephonierte, und lief hinaus, insgeheim dankbar dafür, daß er den Wagen noch nicht in die Garage gestellt hatte. Sekunden später jagte er mit Höchsttempo über das unebene Grasland der Landzunge. Als der Jaguar mit einem Ruck zum Stehen gekommen war, rannte er zur Vordertür. Sie war verschlossen. Sekundenlang erwog er, sie mit dem Jaguar einzurammen, aber der Rahmen bestand aus solider, uralter Eiche, und er hätte mit vergeblichen Versuchen nur wertvolle Sekunden verloren. Er eilte zur Seitenmauer, sprang hoch, hielt sich an der Oberkante fest, schwang sich hinüber und landete im rückwärtigen Patio. Eine flüchtige Probe ergab, daß die Hintertür ebenfalls oben und unten verriegelt war. Es gab keinen Zweifel daran, wer drinnen im Haus war; er würde sie durchs Fenster herausholen müssen. Er riß sich die Jacke herunter und wickelte sie sich um den rechten Arm, während er gleichzeitig den Außenhahn voll aufdrehte, um sich Kopf und Körper naß zu machen. Das eisige Wasser tropfte an ihm herab, als er den Arm beugte und seinen Ellbogen ins Fensterglas stieß. Aber die Scheibe war zu dick; sie war dazu gedacht, die Winterstürme abzuhalten. Also stellte er sich auf die Fensterbank, klammerte sich am Rahmen fest und mußte mehrmals kräftig zutreten, bevor das Glas nach innen brach und ihm die Flammen entgegenschlugen.
    Drinnen hinter dem Fenster lag eine Doppelspüle. Er rollte sich darüber hinweg, landete, im dichten Rauch keuchend, auf den Knien und begann zu ihr hinüberzukriechen. Sie lag zwischen Herd und Tisch, der hochgewachsene Körper starr wie eine Puppe. Haare und Kleider brannten schon, so daß sie wie in Feuerzungen gebadet auf dem Rücken lag und zur Decke starrte. Ihr Gesicht war jedoch noch unberührt, und die offenen Augen schienen ihn mit dem Ausdruck halb wahnsinnigen Erduldens so intensiv anzustarren, daß er unwillkürlich an Agnes Poley dachte: Plötzlich wurden die flammenden Tische und

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