Vorsicht, frisch verliebt
er bereits Mel Gibson gefoltert, Ben Affleck einen Wagenheber in die Kniescheibe gerammt, Pierce Brosnan eine beinahe tödliche Brustverletzung zugefügt und Denzel Washington in einem atomar betriebenen Hubschrauber gejagt. Er hatte sogar Sean Connery ermordet. Wofür er sicher in der Hölle schmoren würde. Niemand tat Sean Connery ungestraft etwas an.
Doch vor Ende des jeweiligen Films zahlten ihm die Stars seine Attacken für gewöhnlich doppelt und dreifach heim.
Ren war bereits erdrosselt worden, verbrannt, geköpft, kastriert - wobei er von Letzterem besonders betroffen gewesen war. Und jetzt wurde er, weil er Amerikas Filmschätzchen in den Selbstmord getrieben hatte, öffentlich gevierteilt. Nur einen Augenblick - das war das wahre Leben, oder etwa nicht? Sein ureigenes, allzu reales, total beschissenes Leben.
Von dem Geschrei auf der Leinwand dröhnte ihm der Schädel. Er hob gerade rechtzeitig den Kopf, um das Blut spritzen zu sehen, als der Rotschopf endgültig ins Gras biss.
Pech gehabt, Schätzchen. Das ist eben der Preis, den man dafür zahlt, dass man sich von einem hübschen Gesicht den Kopf verdrehen lässt
Weder sein Schädel noch sein Magen hielten es länger aus, und so schlich er lautlos aus dem dunklen Kino. Seine Filme waren internationale Renner, und als er sich unter die Menschen mischte, die die milde Abendluft genossen, sah er sich vorsichtig um. Niemand schien ihn zu erkennen, denn Einheimische und Touristen waren ganz auf den Genuss des fröhlichen Florentiner Treibens konzentriert.
Gut. Das Letzte, was er wollte, war ein Gespräch mit irgendwelchen Fans. Also hatte er sich, obgleich er in der letzten Nacht kaum Schlaf bekommen hatte, vor Verlassen seines Zimmers extra Zeit genommen, um sein Aussehen zu verändern. Seine berühmten silberblauen Augen hatte er hinter braunen Kontaktlinsen versteckt, und seine dunklen Haare - die er für die zwei Tage zuvor in Australien beendeten Dreharbeiten zu seinem jüngsten Film hatte wachsen lassen müssen - hingen offen über seine Schultern. Außerdem hatte er sich absichtlich nicht rasiert, weil er hoffte, dass unter den Stoppeln das fein gemeißelte Kinn - ein Erbteil seiner Vorfahren, der Medici - nicht zu erkennen war. Zwar hätte er lieber abgewetzte Jeans getragen, hatte sich aber mit der eleganten Kleidung eines wohlhabenden Italieners kostümiert: schwarzes Seidenhemd, dunkle Hose, elegante Slipper, von denen einer einen Kratzer hatte, weil er in Bezug auf Kleidung ebenso nachlässig wie in Bezug auf andere Menschen war. Das Verlangen, unerkannt zu bleiben, war eine relativ neue Erfahrung. Normalerweise stand er gern im Rampenlicht. Nur halt jetzt gerade nicht.
Er sollte zurückkehren ins Hotel und bis zum nächsten Mittag schlafen, doch dazu war er zu rastlos. Wenn seine Kumpel hier gewesen wären, hätte er vermutlich irgendeinen Nachtclub aufgesucht, na ja, vielleicht auch nicht. Selbst die Kneipenszene hatte ihren Reiz verloren. Unglücklicherweise jedoch war er ein Nachtmensch und hatte bis jetzt noch nicht herausgefunden, wie sich die Zeit bis zum morgendlichen Dämmer anders als mit wilden Partys herumbringen ließ.
Aus dem Schaufenster eines Metzgers starrte ihm ein ausgestopfter Wildschweinkopf entgegen, und hastig wandte er sich ab. Die letzten Tage waren fürchterlich gewesen. Karli Swenson, seine Ex und zugleich eine der beliebtesten Jungschauspielerinnen Hollywoods, war letzte Woche in ihrem Haus am Strand von Malibu tot aufgefunden worden. Karli hatte lange Kokain genommen, also nahm er an, dass ihr Selbstmord Folge ihres Drogenmissbrauchs war, was ihn derart wütend machte, dass er immer noch keine echte Trauer um sie empfand. Eins wusste er hundertprozentig - seinetwegen hatte sie sich nicht umgebracht.
Selbst als sie noch ein Paar gewesen waren, hatte sich Karli viel mehr für das Koksen als für ihren Partner interessiert. Doch das Publikum hatte sie vergöttert, und die Revolverblätter wollten eine aufregendere Story als die von dem jungen Mädchen, das an Drogen zugrunde gegangen war. Also waren sie zu dem Schluss gekommen, dass er der Grund für ihren Selbstmord gewesen war. Hollywoods böser Bube, dessen herzloser Umgang mit Frauen die liebreizende Karli in ihr Grab getrieben hatte.
Da derartige Geschichten seine Karriere vorangetrieben hatten, konnte er den Medien dieses Vorgehen nicht verdenken. Trotzdem war es störend, plötzlich wegen einer derart unangenehmen Story im Mittelpunkt zu stehen. Deshalb
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