Vorsicht, frisch verliebt
Spaß am Sex. Sie hatte sogar erwogen, sich zum Beweis für ihre Freude an sinnlichen Vergnügungen einen Liebhaber zu nehmen, war dann jedoch vor dem Gedanken an Sex außerhalb einer festen Beziehung wieder zurückgeschreckt. Auch das war sicher eine Folge der Fehler ihrer Eltern, deren jahrelange Zeugin sie gewesen war.
Sie wischte die Lippenstiftspur von ihrem Glas. Auch beim Sex ging man am besten stets partnerschaftlich miteinander um, doch das hatte Michael wohl vergessen. Wenn er nicht zufrieden gewesen war, hätte er mit ihr darüber sprechen sollen, statt sich nach einer anderen Gespielin umzusehen.
Beseelt von ihrem Unglück, leerte sie zügig auch ihr zweites Weinglas und gab die Bestellung für ein drittes Glas auf. Eine ausschweifende Nacht würde sie bestimmt nicht zur Alkoholikerin machen.
Am Nebentisch saßen zwei Frauen, rauchten, gestikulierten mit den Händen und rollten, sicher, weil das Leben so absurd war, ständig mit den Augen. Eine Gruppe amerikanischer Studenten tat sich an Eis und Pizza gütlich, während ein älteres Paar einander gegenüber beim Aperitif in Gläsern von der Größe zweier Fingerhüte saß.
»Ich habe mich schon lange nach Leidenschaft gesehnt«, hatte Michael gesagt.
Die Bedeutung dieses Satzes war zu schmerzlich, um darüber nachzudenken. Also bewunderte sie die Statuen auf der anderen Seite der Piazza, Kopien vom Raub der Sabinerinnen , Cellinis Perseus, Michelangelos David. Dann fiel ihr Blick mit einem Mal auf das erstaunlichste männliche Wesen, dessen sie jemals angesichtig worden war ...
Er saß drei Tische weiter und wirkte in dem Hemd aus zerknautschter schwarzer Seide, mit dem unrasierten Kinn, den langen, glatten Haaren und den La-Dolce-Vita- Augen wie die Personifizierung italienischer Dekadenz. Zwei lange, schmale Finger einer ebenso schmalen Hand lagen lässig um den Stiel eines Glases. Er wirkte reich, verwöhnt, gelangweilt und erinnerte sie an Marcello Mastroianni in seinen besten Zeiten.
Etwas an dem Mann war ihr seltsam vertraut, obgleich sie wusste, dass sie ihm nie zuvor begegnet war. Sein Gesicht hätte von einem der alten Meister - Michelangelo, Botticelli, Raphael - gemalt worden sein können. Das war sicherlich der Grund, weshalb ihr war, als hätte sie ihn irgendwo zuvor schon mal gesehen.
Noch während sie ihn sich genauer ansah, wurde ihr bewusst, dass er sie seinerseits einer gründlichen Musterung unterzog ...
3
Ren beobachtete sie schon seit ihrer Ankunft im Café. Erst der dritte ihr angebotene Tisch hatte ihr gefallen, und nachdem sie endlich Platz genommen hatte, hatte sie als Erstes Salz- und Pfefferstreuer sowie den Aschenbecher nach ihren Wünschen arrangiert. Eine penible Frau. Ihre Intelligenz war so deutlich zu erkennen wie die teure Eleganz ihrer italienischen Schuhe, und selbst aus der Ferne verströmte sie eine ernsthafte Zielgerichtetheit, die ebenso sexy war wie ihre vollen Lippen.
Sie schien Anfang dreißig zu sein, war dezent geschminkt und trug die schlichte, doch kostspielige Kleidung, wie sie elegante, weltgewandte Europäerinnen mochten. Ihr Gesicht war weniger schön als vielmehr faszinierend. Sie war nicht so mager, wie es in Hollywood modern war, aber ihr Körper wirkte durchaus attraktiv - die Brüste und die Hüften waren ansprechend proportioniert, sie hatte eine gertenschlanke Taille, und unter ihrer schwarzen Hose zeichneten sich phänomenale Beine ab. Die Strähnchen in ihren blonden Haaren waren sicher nicht natürlich, doch er würde wetten, dass sonst alles an ihr echt war. Sie hatte weder falsche Fingernägel noch künstliche Wimpern. Und wenn diese Brüste mit Silikon vergrößert worden wären, würde sie ganz sicher damit protzen, statt sie unter ihrem adretten schwarzen Pullover zu verstecken.
Er sah zu, wie sie ihr Weinglas leerte, ein weiteres bestellte und dabei unbewusst an ihrem Daumennagel kaute. Diese Geste war total unpassend bei einer derart beherrschten Frau, weshalb er sie als seltsam verführerisch empfand.
Er betrachtete auch die anderen Frauen in dem Café, immer wieder jedoch wanderte sein Blick zu ihr zurück. Er nippte nachdenklich an seinem Wein. Die Frauen liefen ihm in Scharen hinterher - niemals war er es, der den ersten Schritt tat. Doch es war ziemlich lange her, seit er zum letzten Mal mit einer Frau im Bett gewesen war, und irgendetwas an der Frau dort drüben an dem Tisch zog ihn an.
Tja, warum eigentlich nicht ...
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und
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