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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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Kollegin.
    »Wie war das mit Allerleirauh?«, fragte der Kommissar.
    »Sie hat sich einen Mantel aus tausenderlei Fell gewünscht, weil sie glaubte, ihr Vater könne diesen Wunsch nicht erfüllen. Als ihm das unerwartet gelingt, versteckt sie sich vor ihm im Wald.«
    »Inzestuöse Väter haben wir nicht. Das trifft auf keinen der Fälle zu.«
    »Nein«, sagte Imke Karle, »es sind ja auch nicht die Mädchen, die sich in die Felle hüllen. Der Täter gibt ihnen damit seine Marke.«
    »Er zitiert irgendwas«, sagte Lüttich.
    »Wie weit bist du mit diesem Nils Freygang?«
    »Er wird rot und zittert, wenn er die nackten Brüste einer Frau sieht.«
    »Nicht gerade ein normales Verhalten für einen Mann von Mitte vierzig.«
    »Aber es reicht noch nicht für einen Haftbefehl«, sagte Lüttich.

    Er blätterte die Seiten der Alben um. Dunkle Lederalben. Jedes lag schwer auf seinem Schoß. Transparentes Papier mit Spinnwebmuster zwischen den einzelnen Seiten. Schwarzweiße Fotos. Im zweiten Album dann auch farbige Bilder. Vater. Mutter. Sohn.
    Er suchte noch einmal nach dem Kick in diesen Alben. Bald würde der Kick sich verbraucht haben. Dann kam die Leere.

    Sigi Gerhard gab es auf, den Text in der Illustrierten zu lesen, denn die Anspannung versteifte seinen Körper jedes Mal, wenn sich die Tür des Wartezimmers öffnete und die Assistentin den nächsten Patienten in das Arztzimmer bat. Das große weiße Kuvert mit den neuen Röntgenbildern hatte er vor gut einer Stunde vorne am Empfang abgegeben.
    Eine Viertelstunde später war endlich er es, der aufgerufen wurde. Sigi Gerhard hatte das Gefühl, zur Schlachtbank geführt zu werden.
    Er trat ein und sah die Röntgenbilder am Leuchtkasten. Sigi versuchte vergeblich, den Ausdruck im Gesicht des Arztes zu deuten.
    »Ich zeige Ihnen etwas«, sagte der Arzt, und sein Finger glitt über die Schattenlandschaften der Röntgenaufnahmen.
    Sigi schloss kurz die Augen, um gar nicht zu sehen, was da wieder nachgewachsen sein könnte oder größer geworden war.
    »Gut, dass wir gleich mit großen Kanonen geschossen haben«, sagte der Arzt. »Die Tumore bilden sich zurück. Ich denke, Sie kommen erst einmal um eine Operation herum.«
    »Und die Aussichten?«, fragte Sigi. Die Angst noch in der Stimme.
    »Sie haben gute Chancen. Sehr gute.«
    Sigi Gerhard, einstiger Student der Philosophie, Wirt des Tre Castagne, berührte den Boden kaum, als er die Praxis in der Innenstadt verließ, so erleichtert war er. Der Jungfernstieg schien blank geputzt in der tief stehenden Sonne dieses Novembertages. Die Alster glitzerte. Der Zorn in ihm war vergangen.

    Theo zögerte noch, dem Kommissar von den Vorgängen in Ellerbeks Haus zu erzählen. Er fürchtete, das Haus damit für immer aus der Hand zu geben. Womöglich würden die weißen Overalls ins Haus kommen. Die Türen versiegelt werden.
    An schlechten Tagen quälte ihn der Gedanke, die Aufklärung der Morde zu verhindern, an den guten Tagen dachte er, sich noch Zeit lassen zu dürfen. Am Tag vor Totensonntag fragte er Lucky, ob er noch einmal mit ihm ins Haus käme. Abschied nehmen.
    »Was heißt Abschied nehmen?«, fragte Lucky. »Ihr habt alle den ganzen Trauerkram in der Birne. Meine Mutter hat sich bei Budnikowsky groß mit Grablichtern eingedeckt, dabei liegt nur Oma auf dem Friedhof.«
    Sie verabredeten sich für drei Uhr am Nachmittag. Zwei knappe Stunden Tageslicht, die ihnen dann blieben.
    Lucky ließ sich in Ellerbeks Sessel fallen, Theo setzte sich auf das Sofa, auf dem er nie einen hatte Platz nehmen sehen.
    »Wäre doch eine geile Bude für deine Geburtstagsfeier«, sagte Lucky. »Ich denke mal, dass die Nachbarschaft begeistert wäre, wenn wir es krachen lassen. Kann doch nicht froh machen, neben einem Geisterhaus zu wohnen.«
    »Ich denke mal, dass dann mindestens zwei Streifenwagen vor der Tür stehen und Ma und Pa mich höchstpersönlich am Kragen aus dem Haus zerren werden.«
    »Dann bist du achtzehn und der King.«
    »Du wirst bald neunzehn und tust auch nicht nur, was du willst.«
    »Ich versuche, das gute Kind zu sein.«
    »Hier unten haben wir nie gesucht«, sagte Theo.
    »Können wir noch tun«, sagte Lucky, »zum Abschied.«
    Doch sie blieben beide sitzen und guckten sich Ellerbeks Wohnzimmer an. Der Bestatter schien nicht mehr da gewesen zu sein. Auf den ersten Blick war noch alles vorhanden.
    »Lädst du Leni ein?«, fragte Lucky.
    »Ich habe nicht vor, eine Geburtstagsfeier zu veranstalten.«
    »Stell dich nicht an. Es

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