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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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knirschen. Und ihr folgten noch viele Menschen alle schweigend, halb betäubt von der Angst, sich einem Wahnsinn ausgesetzt zu haben, den man unmöglich mit heiler Haut überstehen konnte.
    Aus seinem tiefsten Innern schöpfte er Mut. Auf keinen Fall durften die anderen seine Feigheit bemerken. Entschlossen ging er weiter, doch die Angst ließ ihn nicht los.
    Seine feine Nase nahm sonderbare Gerüche wahr: Moder, Kälte, den unangenehm scharfen Geruch von Steinen und Erde und Dunkelheit. Der der schreit biß die Zähne zusammen und nestelte an seinen Speerspitzen. Der Spalt über seinem Kopf verengte sich weiter. Von allen Seiten umgaben ihn graue Eiswände, vernarbt von Taschen, die das Wasser in sie eingeschliffen hatte.
    »Was können gute Speere gegen die Geister der Dunkelheit ausrichten?« fragte er sich ratlos. Eine dumpfe Warnung durchzuckte seinen Kopf. Er sprang zur Seite. Kühle, unsichtbare Finger strichen über seine Wangen.
    An einer Wegbiegung öffnete Wolfsträumer eine aus Schiefer gefertigte Schüssel, in der er glühende Holzkohlen trug. Er nahm den Docht aus Flechten und berührte damit die Glut. Ein winziges Licht flammte auf.
    Schaudernd ging Der der schreit weiter. Der Spalt in der Decke hatte sich völlig geschlossen. Er reihte sich wieder an seinen ursprünglichen Platz in der Schlange ein und folgte Singender Wolf. Hinter ihm ging Grünes Wasser. Er hörte seinen Sohn auf den Schultern der Mutter selig glucksen.
    Er nahm all seinen Mut zusammen und marschierte hinter Singender Wolf in die pechschwarze Dunkelheit.
    »Haltet euch möglichst dicht an dieser Seite«, riet Wolfsträumer. Seine Stimme warf ein unheimliches Echo zurück, das sich mit den Geisterstimmen der Finsternis mischte. »Das Wasser frißt sich seinen Weg nicht gleichmäßig durch das Eis. Manchmal gibt es deshalb kleine Seitenkanäle. An einigen Stellen ist die Decke sehr niedrig, weil noch nicht viel Wasser durchgeflossen ist. Aber immerhin hoch genug, daß wir durchkommen. Außerdem gibt es jede Menge durch Wasserstrudel entstandene tiefe Löcher. Achtet also darauf, wo ihr hintretet.«
    Irgendwo weit vor ihnen in der stockdunklen Nacht ertönte ein Kratzen, ein unangenehmes Mahlen.
    »Geister«, flüsterte jemand.
    »Keine Angst«, dröhnte Wolfsträumers Stimme durch die Dunkelheit. »Ich habe sie schon einmal herausgefordert. Sie sind überall. Das letzte Mal hatte ich kein Licht. Sie ließen mich im Dunkeln passieren. Verhaltet euch würdig. Beweist Ehre, Stolz und Mut, dann lassen sie euch durch, ohne euch ein Leid zuzufügen.«
    »Kein Wunder, daß sie über Krähenrufers Großvater hergefallen sind«, brummte Der der schreit und versuchte angestrengt, sich Mut zu machen.
    Singender Wolf lachte ein wenig zu laut. Ein in der Stille ohrenbetäubend klingendes Echo antwortete.
    Das Seil in der Hand von Der der schreit straffte sich. Mit trockenem Mund und hämmerndem Herzen eilte er weiter. Ich laufe geradewegs in die Falle der schwarzen Seelen. Die Angst zerrte unerträglich an seinen Nerven.
    »Warnt die nach euch Kommenden vor den Löchern und Stolperstellen«, rief Wolfsträumer.
    Ein Stimmengewirr setzte ein.
    »Beweist Ehre und Mut«, murmelte Der der schreit vor sich hin. Er blinzelte in die Dunkelheit. Die unheimlichen Geräusche des Eises gaukelten ihm Bilder des Grauens vor. Über ihm stöhnte etwas laut auf. Ein fürchterliches Dröhnen folgte. Ich habe keinen Mut… und keinen Stolz… und keine Ehre!
    Ich will, daß es hell wird!
    Schritt für Schritt tasteten sie sich vorwärts. Wolfsträumers ruhige Stimme hielt sie zusammen. Seine magischen Kräfte umhüllten sie in der pechschwarzen Nacht wie ein schützender Mantel.
    Die linke Hand von Der der schreit hielt krampfhaft seine Speere, die rechte das Seil. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Die Lampe in Wolfsträumers Hand verbreitete diffuses Licht. Riesige, lange Schatten flackerten über die schmutziggrauen Eiswände.
    Hinter ihm gackerte Gebrochener Zweig ununterbrochen: »Wolfstraum der Wolfstraum.« Der Klang menschlicher Stimmen bildete einen zerbrechlichen Schutzschild gegen das furchterregende Kreischen und Knistern der Geister, die wie Fledermäuse über ihren Köpfen schwebten.
    Die Zeit dehnte sich endlos. Wie ein Tier saß die Angst in der Brust von Der der schreit und fraß an seinem Herzen. Die Eisrinne wurde niedriger. Seine Seele schrie; Gefangen, du bist auf ewig gefangen! Mit trockenem Mund befahl er sich, Ruhe zu

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