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Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers

Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers

Titel: Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Mutter deswegen auch mit ihr schimpfte, sie konnte die kleine Tochter nicht im Lager festhalten. Nicht, wenn die Bäume und die Tiere sie riefen.
    Naserümpfend sah sie die alte Frau zwischen den Bäumen verschwinden. Kein Mensch würde ihr glauben, daß sie eine Zauberin gesehen hatte. Schon gar nicht Grille oder Reizende Wapiti.
    Geräuschlos wie ein sich anpirschender Rotluchs kroch Tangara aus ihrem Versteck und rannte den Pfad hinunter zum Lager, so schnell, wie nur Tangara rennen konnte.
    Kleiner Tänzer rollte sich zusammen und hoffte, der Schlaf würde seine Magenkrämpfe lindern. Die Fäden beunruhigender Träume spannen sich immer tiefer in seinen Geist.
    Erinnerungen an Dinge, die er erlebt hatte, wiederholten sich vor seinem geistigen Auge. Nie würde er den Anblick vergessen, wie Tanzende Hirschkuh das Baby auf die harten Steine geschmettert hatte, wie es hilflos zappelte und zitterte und schließlich ganz still liegenblieb. Von seinem Versteck im Salbeidickicht aus hatte er die Qual auf Tanzende Hirschkuhs Gesicht erkennen können.
    Und über all dem Schrecklichen hatte Schwerer Bibers spöttisches Lächeln geschwebt.
    Das Bild wandelte sich. Beim Laut des dumpfen Knalls, mit dem das Wolfsbündel auf dem Boden aufgeschlagen war, verstärkten sich die Krämpfe in seinen Eingeweiden.
    »Nein!« schrie er in der Erinnerung an die Leere, die seine junge Seele zu verschlingen drohte.
    »Das Volk stirbt«, hörte er eine Stimme sagen. »Wie der Rauch eines verlöschenden Feuers werden wir uns auflösen, immer weniger und weniger werden.«
    Eine alte Frau ging unter den Bäumen entlang. Sie humpelte mit Hilfe eines Gehstocks. Ein Tragegurt sicherte die schwere Last, unter der sich ihr Rücken beugte. Windböen zerrten an ihren grauen Zöpfen.
    Sie sah Kleiner Tänzer an. In ihren tiefliegenden dunklen Augen glühte eine Macht.
    Wieder verlagerten sich die Bilder. Er tanzte, und die Welt drehte sich unter ihm. Ein Mann mit wutverzerrtem Gesicht warf etwas zum Himmel hinauf. Ein plötzlich auftauchendes gleißendes Licht blendete ihn.
    Er spürte den Hunger pulsieren wie Wellen, die gegen die Steine im Moon River schlugen. Saugende Gier umspülte ihn, trug ihn fort mit der Strömung und drehte ihn im gurgelnden Strudel.
    »Aufhören! Aufhören.« Er schrie auf; der Knoten in seinem Magen wuchs, umfaßte das ganze Volk.
    Nagender Hunger, zäh wie undurchtrennbare Ranken, umschlang würgend die hoch oben auf den Kuppen wartenden Menschen; er fraß sich in ihre Bäuche, während sie nach frischen Spuren jagdbarer Tiere suchten. Er litt für all diese Menschen, fühlte das stete Auszehren ihrer Körper, den Energieverlust, der ihr Fleisch welken ließ.
    »Ernähre uns. Nähre mich«, wimmerte er im Traum. Der Magenkrampf wurde immer schlimmer.
    Wir kommen. Erinnere dich stets an diesen Tag… wir sind du.
    Er schreckte hoch. Die Stimme klang so nahe. Eine seltsames, noch nie erlebtes Bewußtsein ergriff ihn. Ein zugleich vertrauter und doch fremder Geschmack lag auf seiner Zunge, der Geschmack nach Salbei, normalerweise bitter, jetzt fast süß. Er heulte vor Angst und brachte kein Wort heraus. In größter Furcht lief er auf allen vieren flink davon. Der Ausblick auf die vor ihm liegende Welt erweiterte sich. Sie erschien ihm merkwürdig flach, gleichzeitig aber sehr lebendig und klar.
    Verwundert blickte er auf die vor ihm aufblitzenden weißen Hinterteile der Antilopen. Eine Kuh, in alarmbereiter Stellung verharrend, rief ihn lockend. Ohne nachzudenken, lief er zu ihr hinüber. Sie bedeutete Sicherheit und Geborgenheit für ihn.
    Wir kommen, wiederholte die Stimme. Wir kommen.
    Er zitterte, hin und her gerissen von dem Körper, den er bewohnte. Benommen kämpfte er gegen den Druck auf seiner Schulter. Er trat mit den Beinen und schrie. Seine menschliche Stimme hallte laut in seinen Ohren wider.
    »Kleiner Tänzer, wach auf! Es ist ein böser Traum. Wach auf!«
    Blinzelnd öffnete er die Augen. Wie durch einen Schleier starrte er auf die vor seiner Bettstatt liegenden Kleider. Seine Mutter blickte auf ihn herab, Sorge zeichnete ihr angespanntes Gesicht.
    »Es ist ein Traum. Sonst nichts. Nur ein böser Traum«, sagte sie und streichelte ihm beruhigend die Schulter.
    Nur mit Anstrengung, als ob er sich durch tiefen feuchten Schnee kämpfen müsse, gelang es ihm, Klarheit in seine Gedanken zu bringen.
    »Dir fehlt doch nichts?«
    Er schüttelte den Kopf. Das verschwommene Bild des Antilopenkalbes trübte seine Sicht

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