Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
Fett grunzte und kratzte sich hinter dem Ohr. »So lange ist das schon her?«
Einziger Mann, dessen Blick die ganze Zeit nachdenklich von einem zum anderen gewandert war, schob sich neben Windläufer und sagte ruhig: »Ich teile meine Fleischvorräte mit Salbeigeist.«
Windläufer war wie betäubt. Die Sehnsucht nach Weiße Esche, seine Sorge um Salbeigeist, die Trauer über den Untergang des Weißlehm-Stammes und der Tod so vieler geliebter Menschen brachten ihn fast um den Verstand.
Schwarzer Mond wandte sich mit einer hilflosen Handbewegung an die Umstehenden. »Ihr habt Salbeigeist gehört. Ihr habt Einziger Manns Worte vernommen. Ihr habt gehört, was Die die Platz macht und was Windläufer sagten. Meine Stimme ist nicht entscheidend für die Haltung des ganzen Stammes. Aber ich sage euch, ich kann nicht befehlen, diesen Mann umzubringen. Sein Leid ist schon groß genug. Ich schlage vor, ihn bei uns leben zu lassen. Er soll als letzter Überlebender des Weißlehm-Stammes unter uns weilen.«
Einziger Mann hob die Hände, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Ihr kennt mich alle. Ihr kennt den Mut von Einziger Mann. Ich habe für den Schwarzspitzen-Stamm gekämpft. Ich habe meine Seele für den Stamm gegeben. Ihr wißt, Einziger Mann ist stolz und stark. Doch jetzt habe ich Dinge gesehen und gehört, die mich in Furcht versetzen, weil ich nicht begreife, was mit dem Sonnenvolk geschieht. Vielleicht sollten wir alle an den Weißlehm-Stamm denken und daran, was diesen Menschen zugestoßen ist. Vielleicht sollten wir unsere Zeit nutzen und soviel wie möglich daraus lernen, damit wir den Weg, den der Große Donnervogel und der Große Bär uns weisen, verstehen.«
Der Anführer der Schwarzspitzen-Krieger bedachte Salbeigeist mit einem Kopfnicken. »Ich heiße Salbeigeist bei uns willkommen.« Mit einem stahlharten Blick maß er die im Kreis versammelten Leute. »Er kam zu uns, obwohl er wußte, er steht dem Schwarzspitzen-Stamm alleine gegenüber. Ein Mann, der das wagt, hat mir seinen Mut und seine Würde zur Genüge bewiesen.«
Feuerkaninchen sprang mit einem Satz auf die Beine und stieß die geballte Faust in die Luft. »Was geht hier eigentlich vor? Was geschieht mit uns? Denkt nach über das, was wir heute gehört haben.
Hat sich die Macht gegen uns gewandt? Alles bricht auseinander wie eine alte Mantelnaht aus brüchiger Sehne. Es kümmert mich nicht, ob dieser alte Weißlehm-Mann unter uns lebt. Mich bewegt nur eine einzige Frage: Was unternehmen wir wegen des Hohlkehlen-Stammes?«
In der Menge brach Tumult aus. Einige schrien, manche stritten lautstark miteinander, wieder andere schüttelten die Köpfe und gestikulierten heftig. Es herrschte allgemeine Verwirrung.
Schwarzer Mond hob die Hände und gebot Ruhe. Er wandte sich an Salbeigeist: »Du sagtest, du warst südlich der Sideways Mountains?«
Salbeigeist nickte. »Ich bin zweimal dort gewesen. Das erste Mal vor vielen Jahren führte mich eine Macht dorthin. Dieses Mal ging ich, um meine Tochter zu suchen.«
Schwarzer Mond nickte. »Was ist mit diesem Erdvolk? Haben sie wirklich so viel zu essen, wie die Händler behaupten? Können wir in ihrem Land leben?«
Salbeigeist zuckte die Achseln. »Sie leben nicht so wie wir. Aber ja, sie haben so viel, wie die Händler behaupten. Sie hungern selbst im Winter selten. Wir können das Land einnehmen und dort leben aber wir müßten unsere Lebensweise ändern.«
Einziger Mann schielte nachdenklich zum Himmel hinauf. »Glaubst du, wir können ihr Land einnehmen? Sind es zu allem entschlossene Kämpfer? Wie viele von uns müßten sterben?«
Salbeigeist bedachte ihn mit einem schiefen Lächeln. »Niemand lebt ewig, Einziger Mann. Einige Angehörige des Schwarzspitzen-Stammes werden sterben, gleichgültig, gegen wen ihr auf den Kriegspfad zieht. Ich würde mich allerdings lieber dem Erdvolk stellen als dem Hohlkehlen-Stamm. Das Erdvolk hat zwar mehr Angehörige ihre Lager liegen im ganzen Land verstreut, weil es ein so fruchtbares Land ist , aber ich kenne die Hohlkehlen-Krieger. Man muß sie dreimal umbringen, um sicherzugehen, daß sie auch tot sind.«
Schwarzer Mond kaute auf der Unterlippe. »Nehmen wir uns ein wenig Zeit zum Nachdenken.
Unterhaltet euch in der Zwischenzeit miteinander über die Angelegenheit. Morgen ist es noch früh genug, um eine Entscheidung zu treffen.«
Windläufer hatte kaum wahrgenommen, was um ihn herum vorging. Vollkommen in Gedanken an Weiße Esche
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