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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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dagegen protestiert und Tharon erklärt, vernünftigerweise müsse er mindestens zweihundert Krieger zum Schütze Cahokias zurücklassen. Es war ihm gelungen, den Sonnenhäuptling zu überzeugen. Aber achthundert kampferprobte Krieger gegen einhundert Maisbauern? Wie konnte er das vor seinen Kriegern rechtfertigen? Heuschrecke hatte recht. Sobald sie die Brutalität dieses Befehls durchschauten, würde es bei den meisten zu offenem Unmut kommen. Er mußte sich etwas einfallen lassen. Vielleicht die Streitkräfte in kleine Gruppen aufteilen und nur die »stärksten« Krieger nach Redweed Village mitnehmen.
    Draußen erklangen leise Stimmen, und Heuschrecke rief: »Ich bringe dir die Priesterin Nachtschatten, Führer Dachsschwanz.«
    Nervös strich Dachsschwanz über seine hellbraun und schwarz gemusterte Tunika. Die schweren Muscheln in seinen Stirnhaaren schwangen bei dieser Bewegung mit und klapperten leise aneinander.
    »Herein.«
    Nachtschatten trat gebückt unter den Türvorhängen hindurch. Ihre wunderschönen schwarzen Haare wogten über ihre Schultern; ihr rotes Kleid hatte sie mit einer erlesenen, aus Seidenpflanzenfäden gefertigten Kordel gegürtet, die ihre schmale Taille und ihre vollen Brüste betonte. Ein Muschelkragen mit einer eingravierten menschlichen Hand schmückte ihren Hals.
    »Bitte, setz dich.«
    Nachtschatten blieb stocksteif stehen. Wachsam blickte sie sich um.
    Heuschrecke beugte sich durch die Tür. »Brauchst du mich noch?«
    »Nein, danke, Heuschrecke. Ich begleite die Priesterin später selber zum Tempel zurück. Geh du nach Hause und ruh dich etwas aus.«
    »Gut. Wir sehen uns morgen. Gute Nacht.« Lautlos huschte sie davon.
    Dachsschwanz wandte sich um und merkte, daß Nachtschattens dunkler Blick forschend und unversöhnlich auf ihm ruhte.
    »Darf ich dir Tee zu trinken anbieten?«
    »Ja, gern - danke.«
    Er kniete auf den Häuten nieder und goß den vorbereiteten Tee in zwei Muscheltrinkschalen, dabei beobachtete er Nachtschatten verstohlen. Sie wanderte in seinem Haus umher und betrachtete die Schilde an der Wand. Die Malereien darauf berührte sie mit der selbstverständlichen Vertraulichkeit einer Mutter, die ein verletztes Kind streichelt. Sprachen sie zu ihr? Konnte sie die blutige Geschichte dieser Kriegsgerätschaften durch bloßes Handauflegen aufdecken?
    »Warum setzt du dich nicht, Nachtschatten?«
    »Ich habe nicht vor, lange zu bleiben.«
    »Bitte, wenigstens lange genug, um eine Schale Tee mit mir zu trinken.«
    Unnatürlich ruhig, wie ein Wiesel, das sich seiner Beute sicher ist, kam sie auf ihn zu. Als sie sich ihm gegenüber niederließ, breitete sich ihr rotes Kleid wie eine sich öffnende Knospe um ihren Körper aus.
    Hinter ihr sah er durch die offene Tür die vor dem perlgrauen Hintergrund der Nacht tanzenden Leuchtkäfer.
    Er reichte ihr eine Schale, lehnte sich dann zurück, hob vorsichtig seine Schale zum Mund und nippte daran. Das Wintergrün schmeckte kräftig und süß. »Nachtschatten, ich wollte mit dir reden, weil -«
    »Erzähl mir von Orenda.«
    »Orenda?« Er zuckte überrascht die Achseln. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sie ist ein eigenartiges Kind. Aber das ist dir sicher schon aufgefallen. Ich glaube, seit vier oder fünf Zyklen hat sie den Tempel nicht mehr verlassen. Sie spielt nie mit … mit niemandem, weder mit Kindern noch mit Erwachsenen. Sie drückt sich nur im Tempel herum.«
    »Ist sie von einem Geist berührt?«
    »Nein, nein. Das glaube ich nicht. Obgleich -«
    »Hast du sie je mit jemand anderem sprechen hören außer mit Tharon?«
    »Mit Singw, als sie noch lebte. Ich sah sie auch mit dem alten Murmeltier flüstern.«
    »Wie lange ist das her?«
    Dachsschwanz trank gemächlich und überlegte, was wohl hinter Nachtschattens Fragen stecken mochte. Warum interessierte sie sich für Orenda? Das Kind war in Cahokia nie mehr gewesen als ein Nebelhauch, eigentlich noch unsichtbarer, wenn man es genau nahm. Dachsschwanz erinnerte sich, wie verblüfft er jedesmal gewesen war, wenn er die meist weinende Orenda im Tempel gesehen hatte verblüfft, weil er völlig vergessen hatte, daß sie überhaupt existierte.
    »Zum erstenmal war das ein paar Tage vor Murmeltiers Tod. Warum kümmert dich das?«
    »Ihr wurde Leid zugefügt. Von Tharon. Da bin ich mir ziemlich sicher.« Nachtschatten blickte intensiv auf die hinter ihm liegende Wand.
    Unbehaglich drehte er sich um. Das durch die Tür eindringende Mondlicht warf ihren Schatten wie ein

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