Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste
wild zu pochen wie bei einem gejagten Tier.
»Schsch!« brachte er Turmfalke zum Schweigen, als sie stöhnte. Er bemerkte, daß er ihr die Lippen so heftig gegen die Zähne gepreßt hatte, daß sie von innen geplatzt waren. Blut lief über seine Hand.
Stechapfel legte den Kopf zur Seite. »Was war das? Hast du es gehört?«
Turmfalke gab keinen Laut von sich, als lausche auch sie atemlos auf eine Bewegung im Wald.
»Was ist das für ein Geräusch? Ich … ich merke, wie der Waldboden unter Schritten vibriert. Fühlst du es nicht?«
Stechapfel kniff die Augen zusammen, um das Tier auszumachen. Es schlüpfte jedoch wie mit der tödlichen Gewandtheit einer Raubkatze durch das Buschwerk. Er sah nichts als die schwankenden Zweige von Büschen und Bäumen.
Furcht kroch in ihm hoch.
Beeil dich! Beeil dich!
Um seine Angst zu zerstreuen, riß er Turmfalke plötzlich mitten auf dem Wildpfad zurück und legte seine Wange gegen die ihre, so wie er es früher getan hatte, als sie ihn noch liebte. Seine Nase füllte sich mit dem Geruch ihres Schweißes.
»Ja, denk darüber nach, meine Frau.« Unruhig befeuchtete er sich die Lippen. »Die Raben werden dein Blut riechen und in riesigen Schwärmen zu dir herunterstoßen. Sie werden sich auf deine weichen Glieder setzen und hungrig krächzen, während sie dir die Augen auspicken. Danach werden die Füchse, Wölfe und Bären kommen. Zunächst dürften sich die Tiere vor deinen Schreien fürchten, aber sich allmählich an die schrillen Töne gewöhnen. Nach einer Weile werden sie sich auf dich stürzen und deine freiliegenden Organe zerreißen.«
Er küßte sie leicht auf die Schläfe. »Schließ die Augen, Turmfalke. Benutze deine wunderbare Vorstellungskraft, mit der du früher immer gemalt hast. Wie wird es sich anfühlen, wenn die Füchse dir die Innereien aus dem Körper zerren?«
Turmfalke bäumte sich auf, wand ihren Kopf aus seinem Griff und stieß hervor: »Nein!«
Sie trat ihn und lief drei Schritte weit, bevor er sie wieder packte und mit der ganzen Wucht seines Körpers zu Boden schleuderte. Der Geruch der vermoderten Stämme umgab ihn. Ihr sich windender Körper, der so fest und wohlgeformt war, stachelte seine sexuelle Lust noch weiter an. Ihr runder Po drückte gegen seine Leiste und erhärtete seinen Penis.
Turmfalke gelang es zu schreien. »Hilfe! Bitte, helft mir!« Noch einmal versuchte sie zu schreien, doch er zog sein blutiges Messer aus dem Gürtel und drückte es an ihren Hals. »Soll ich dein Blut mit dem von Tannin vermischen, Frau? So bald schon? Ich wollte noch Zeit haben, mit dir zu sprechen.
Dir Dinge zu erzählen, für die jeder andere Mensch sein Leben hergäbe, nur um davon zu wissen …
um sie mit eigenen Augen zu sehen.«
Turmfalke war bei der Berührung durch sein Messer zusammengezuckt. Er hatte sie eng umklammert und spürte, wie ihr Herz vor Entsetzen hämmerte. So hatte das Herz der Vögel gehämmert, denen er als Kind die Federn aus den Flügeln gerissen hatte, bevor er sie auf den Boden hatte fallen lassen.
Jetzt würde er einen anderen Vogel rupfen - einen Turmfalken.
»Ja, gut. So ist es besser. Setz dich hin und lehne dich an diesen umgestürzten Stamm hinter dir.«
Turmfalke folgte der Aufforderung und strich das Haar beiseite, das ihr wie ein dichtes Netz über das Gesicht gefallen war. Ihr Atem ging schnell und keuchend.
Sie sah schmal und klein aus, wie sie so dasaß. Ihr ovales Gesicht wirkte bläulich bei dem diffusen Lichtschleier, der den Wald durchwob.
Stechapfel lächelte sie an.
»Ich bin ja so enttäuscht«, sagte er, lehnte sich zurück und wischte sich mit der Hand über den Mund.
»Ich habe davon geträumt, wie wundervoll es sein würde, einen Baumsitz zu bauen und deinem Sterben von hoch oben zuzuschauen. Aber das kommt jetzt nicht mehr in Frage. Gleich nach Anbruch der Dämmerung werden die Leute vom Otter-Klan unserer Spur folgen. Wahrscheinlich schlägt sich schon jetzt irgend so ein Dummkopf durchs Gebüsch und sucht dich.«
Er spähte um sich herum in die Nacht hinaus und lauschte mit schiefgelegtem Kopf auf das Rascheln in den Bäumen. War das Wesen dort in der Dunkelheit ein Mensch? Jemand, der sie suchte? »Ich kann es nicht riskieren, hierzubleiben und zuzuschauen, wie dir Gerechtigkeit widerfährt. Nein, dieses Vergnügen bleibt mir verwehrt. Doch es wird mir genügen zu wissen, daß du tot bist und ich noch immer meinen Sohn habe. Ja, meinen Sohn. Kleiner Kojote wird mir auf ewig Gesellschaft
Weitere Kostenlose Bücher