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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Schöpfungsaktes vergeht. Sonst wird alles nur Knochen und Stein und Wasser sein. Es wird niemals fühlen oder denken.«
    Kondor mußte sehr schnell fliegen, um die ganze Welt zu erreichen, bevor der Zauber vergangen war.
    Während Kondor seine Pflicht erfüllte, wurde Alter-Mann-Oben schwächer und schwächer, bis er zu einem Nichts zusammenschrumpfte und starb. Die Welt war durch ihn und Kondor zum Leben erweckt worden, doch Alter-Mann-Oben wurde kalt und weiß und hart. Mutter Ozean weinte. Sie bat das Volk-Das-Licht-Stiehlt, ihr zu helfen, und sie flochten ein Netz aus Seetang und legten Alter-Mann-Oben dort hinein. Erster Kondor trug das Netz hoch in den Himmel, wo Alter-Mann-Oben als Mond wiedergeboren wurde.
    Sonnenjäger konnte die Macht, die vom Volk-Das-Licht-Stiehlt ausging, spüren; sie strahlte von ihm ab wie Hitze von Flammen. Sie befahlen den Regen herbei und vertrieben den Winter. Als Kinder von Alter-Mann-Oben gaben sie mit ihren Gebeten ihrem Vater die Kraft, jede Nacht emporzusteigen und den Leib von Bruder Himmel zu überqueren. Wenn das Volk-Das-Licht-Stiehlt jemals versäumen würde zu beten, würde der Mond nicht mehr aufgehen. Häufchen heiligen Eichelmehls lagen zu Füßen der Tonfiguren genau so verstreut, wie das Mehl bei der jährlichen Zeremonie über die lebenden Tänzer gestreut wurde, die sie repräsentierten. Gute Feder hatte diese Figuren des Volk-Das-Licht-Stiehlt mit viel Sorgfalt bemalt. Sie hatte die Farben aus zerstampften Pflanzenwurzeln, Blumen, Beeren und Tonerde gewonnen und lange mit einem zerfransten Weidenzweig als Pinsel daran gearbeitet, damit jede Kleinigkeit stimmte. Dann hatte sie sie in besondere, rituell gesegnete Gewänder eingekleidet - wie es sich für Götter ziemte.
    Mit krächzender Stimme fragte Sonnenjäger: »Wo ist Gute Feder, Volk-Das-Licht-Stiehlt? Wißt ihr es?«
    Sie schienen zu flüstern. Die Stimme des Donnerwesens war besonders laut. Donnerwesen sahen aus wie kleine Kinder, hatten aber die schillernden, durchscheinenden Flügel von Libellen. Und dort, wo bei einem Kind die Füße waren, wuchsen ihnen Krallen. Wenn sie durch die Wolken flogen, ließen ihre Flügel den Donner über den Himmel rollen. Er konnte die Worte des Donnerwesens nicht verstehen. Oder kamen diese Geräusche nur vom Trippeln der Mäuse? Sonnenjäger blinzelte, um dem Schwanken vor seinen Augen Einhalt zu gebieten, kämpfte gegen die fast überwältigende Versuchung an, sich gehenzulassen.
    Leuchtende Malereien befanden sich über den Köpfen der Figurinen. An der langen Nordwand schnitten zwei Zickzacklinien gelber Blitze einen Pfad durch silberne Monde und blaue Sterne und liefen im Herzen einer karmesinroten Sonne zusammen. Die Südwand war mit flammend orangefarbenen Bäumen bedeckt, deren Äste sich nach innen und außen spiralförmig wanden und so die ineinander verschachtelten Wege eines Labyrinths bildeten. An den Enden der Äste liefen dunkle Strudel wie Zungen schwarzer Flammen nach außen …
    Die Dunkelheit, die die Seele verbrennt, wenn sie versucht, den verschlungenen Weg zu finden, der zum Land der Toten führt.
    Sonnenjäger brauchte seine ganze Kraft, um sich auf die rechte Seite zu drehen, so daß er den Arm ausstrecken und mit zitternder Hand den Türvorhang zurückziehen konnte. Obwohl er mit seinen schweißnassen Fingern das Leder fast nicht halten konnte, gelang es ihm, den Türvorhang an seinen Haken zu hängen. Dabei rutschten ihm die Felldecken herab, und der kalte Wind, der durch Strauchnuß-Dorf fegte, traf nun seine bloße Brust. Die beißende Kälte tat ihm gut. Frischer Kiefernduft drang in seine fieberheiße Nase. Er sog ihn tief ein und versuchte, seine Seele mit der Essenz der Bäume zu füllen. Die grünen Kiefern vor dem Zelt wurden allmählich dunkler, bis sie Lanzen aus Holzkohle glichen. Sie hoben sich wie dunkle Wächter gegen die durchscheinenden Strahlen blaßrosa Lichts ab, die über den Himmel schössen. Sonnenjäger konnte keine Wolken sehen, doch Schneeflocken fielen taumelnd durch die Bäume und landeten auf der gefrorenen Erde.
    Wie lange war er krank gewesen? Er konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wann er sich ins Zelt seiner Tante zurückgezogen hatte, um sich hinzulegen. Wo war sie? Wütete die Krankheit noch immer im Dorf?
    »Sie brauchen dich, du Narr«, murmelte er schwach. »Gute Feder ist alt … achtzig Sommer. Sie kann nicht alle Heilungen selbst durchfuhren. Es wird sie umbringen. Steh auf1. Steh auf, bevor es zu

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