Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
hüllte ihn sanft darin ein.
    Dennoch hörte er nicht auf zu zittern.
    Gute Feders altes Gesicht wurde düster. »Ich muß dir etwas heiße Suppe einflößen. Bleib wach, bis ich komme.«
    Sie ging hinüber zu dem dreifüßigen Kochgestell, wo der Lederbeutel mit Suppe hing, und rückte es näher zum Feuer. Dann nahm sie mit Hilfe zweier Stöcke vier der Steine auf, die am Rande des Feuers auf der Glut lagen, und ließ sie in den Beutel fallen. Dampf schoß zischend nach oben. Ein silbriger Reif umrahmte ihr Gesicht.
    Während sie die hölzernen Suppenschalen holte, sagte Sonnenjäger: »Ich … ich muß gesund werden, Gute Feder. In fünf Tagen beginnt der Mammut-Geist-Tanz im Otter-Klan-Dorf.«
    Der Tanz wurde jeden Mond in einem von drei Dörfern abgehalten: im Strauchnuß-, im Walbarten-oder im Otter-Klan-Dorf. Auf diese Weise mußten die Menschen von den nördlichen oder südlichen Küstenteilen und aus den Bergdörfern nicht so weit gehen, wenn sie drei oder vier Tänze in einem Jahresumlauf besuchen wollten. Die Tänze brachten eine große Zahl von Menschen zusammen. Viele von ihnen wanderten mehrere Tage lang zu dem Dorf, wo der Tanz stattfand. Und Sonnenjäger bemühte sich sehr, an jedem Tanz teilzunehmen. Aber manchmal, wie diesen Mond, ging es einfach nicht. Vielleicht würde Melisse, das Oberhaupt des Otter-Klan-Dorfes, den Tanz verschieben, um auf Sonnenjäger zu warten? Manchmal tat er das. Aber nicht oft. Und Melisse konnte den Tanz nicht um länger als eine Woche verschieben, weil schon bald die ersten Leute eintreffen würden. Melisse konnte sie nicht zu lange nur darauf warten lassen, daß Sonnenjäger vielleicht doch noch kam.
    »Ja«, sagte Gute Feder, »das ist richtig. Und wenn du nicht da bist, wird der alte Klebkraut den Tanz leiten.«
    »Er hat ihn zuvor schon viele Male geleitet, Tante. Er ist nicht so schlecht, wie du denkst. Aber ich … ich habe so viele Tänze versäumt. Ich sollte da sein. Obwohl Klebkraut sich sehr viel Mühe gibt, ist er einfach nicht…«
    »Glaubst du wirklich, daß er sich viel Mühe gibt?« Schnaubend ging Gute Feder mit zwei Schalen und einer hölzernen Tasse zum Feuer zurück. Mit finsterem Blick schöpfte sie Suppe in die Schalen. »Hat die Zahl der Mammuts zugenommen, seit er die Tänze leitet? Hm? Nein. Kein Mammut wird vom Land der Toten zurückkommen wollen, wenn es glaubt, daß er der Träumer ist, der sie begrüßt. Auch die Leute würden nicht am Tanz teilnehmen, wenn sie im voraus wüßten, daß Klebkraut ihn leitet.«
    Sonnenjägers Magen krampfte sich zusammen. Er fühlte sich wie erdrückt von Schuld. »Es ist mein Fehler. Ich sollte unterwegs sein und allen Leuten sagen, daß nur der Tanz allein zählt. Sie denken, daß sie mich dort brauchen, aber das ist nicht…«
    »Sonnenjäger«, unterbrach ihn Gute Feder, während sie eine mit Suppe gefüllte Schale auf den Fußboden neben ihn stellte, »du versuchst, zu vielen gleichzeitig zu helfen. Wer auch immer dich bittet, zu seinem Dorf zu kommen, du gehst hin. Du brauchst deine Macht bis zur Neige für andere auf und behältst nichts für dich.« Dampfspiralen stiegen von der Schüssel auf.
    »Ich kann den Menschen nicht sagen, daß ich nicht komme, nicht wenn sie Angst haben oder krank sind. Jemand muß ihnen Hoffnung geben.«
    Gute Feder nahm eines der Hirschfelle von Sonnenjägers Brust, faltete es und legte es unter seinen Kopf, um ihn aufzurichten. Als sie die Schale voll warmer Suppe an seine Lippen führte, sagte sie: »Es ist gut, wenn man sich um die Menschen Sorgen macht, aber du darfst nicht zulassen, daß deine Unruhe dein Träumen zerstört. Wenn du das zuläßt, dann werden dich sogar die Menschen hassen, für die du die tiefste Sorge empfunden hast. Träumen ist die einzige Art, wie du ihnen wirklich helfen kannst, und das wissen sie.«
    Er nahm einen Schluck von der warmen, wohlschmeckenden Suppe und sank wieder auf das Fellkissen zurück. Seine Zähne klapperten so heftig, daß es ihm kaum gelang, seinen Mund lange genug an die Schale zu halten, um einen weiteren Schluck zu nehmen. »Vielleicht hast du recht.«
    »Du glaubst mir nicht? Das solltest du aber. Ich sage dir die Wahrheit. Du mußt aufhören, den Leuten so viel von dir selbst zu geben. Sonst ist bald nicht mehr genug von dir übrig, um zu träumen.«
    Er wollte etwas dazu sagen, doch da hörte er wieder schwaches, vom Wind getragenes Rufen. Es klang wie die Stimmen verlorener Seelen. Sie riefen nach ihm. Er schloß die

Weitere Kostenlose Bücher