Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen
Menschentöter.«
Schwarzschädel blickte ihn finster an. »Sobald ich nicht mehr vor Angriffen der Khota auf der Hut sein muß, drehe ich dir ein paarmal den Arm um, nur um das Vergnügen zu haben, dich schreien zu hören.«
»Je lauter der Schrei, desto tiefer die Stille. Stille - so tief, daß sie dich taub macht.« Der Verdreher holte tief Luft, warf den Kopf zurück und tat mit schmerzverzerrtem Gesicht so, als würde er schreien.
Schwarzschädels Gesicht zuckte in ohnmächtiger Wut, und er paddelte weiter; Otter hörte ihn murmeln. Sie umrundeten mühsam den Rand des Haselnußgestrüpps und fanden schließlich einen gewundenen Kanal, der ihnen Schutz versprach. Sie zogen Wellentänzer an den überhängenden Zweigen mit den Händen weiter.
Perle schreckte auf. Mit aufgerissenen Augen setzte sie sich auf und griff sich ans Herz. Sie holte tief Atem, und als sie erkannte, wo sie war, half sie, das Boot durch das Gestrüpp zu ziehen.
»Wo sind wir?« fragte sie Otter nervös.
»In einem Versteck. Hier können wir uns hoffentlich tagsüber vor den Khota verbergen.«
Otter sah die Angst in ihren Augen; er verstand es, ihm ging es ja nicht anders.
»Fester Grund«, sagte Schwarzschädel, als er das dichte Unterholz betrat. Er packte den geschnitzten Fuchskopfbug und zog das schwere Kanu vorwärts.
»Sehr gut«, lobte Otter, als das Kanu an Land lag. Alle kletterten hinaus und gingen durchs Unterholz.
Sie kamen auf eine kleine trockene Lichtung, die von allen Seiten von Dickicht umgeben war.
Perle blieb etwas zurück. Sie betrachtete Otter sehr genau. Grüne Spinne widmete sie nur einen kurzen Blick. Schwarzschädel jagte ihr allerdings solch einen Schrecken ein, als er sich plötzlich zu ihr umdrehte, daß sie unwillkürlich ins Wasser zurücktrat.
»Vielleicht sollte ich dir noch einmal sagen, wer wir sind«, sagte Otter mit seinem liebenswürdigsten Lächeln. »Ich bin Otter vom Weißmuschelclan. Mein magerer Gefährte hier ist Grüne Spinne, ein Verdreher von den Blutroten in der Stadt der Toten. Der Krieger ist Schwarzschädel vom Winterclan in der Stadt der Toten. Wir sind auf dem Weg nach Norden zum Süßwassermeer.«
Ihr Gesichtsausdruck zeigte Otter, daß Schwarzschädels verunstaltetes Gesicht und die Narben auf seinem Körper sie verstörten. Ihre verstohlenen Blicke über das Gelände deuteten an, daß sie den schnellsten Fluchtweg ausfindig zu machen suchte.
Obwohl sie jetzt abgehärmt aussah, Schmutzflecken im Gesicht und in den Haaren hatte, würde sich jeder Mann nach ihr umdrehen. Das Kampfhemd der Khota bedeckte ihre vollen Brüste nicht ganz.
Der Gürtel betonte ihre schmale Taille; ihre Hüften waren rund, ihre Beine lang und muskulös. Auch der Ausdruck größter Angst in ihrem Gesicht nahm ihr nichts von ihrer Schönheit.
»Schwarzschädel«, Otter mußte sich mit Gewalt dieser Faszination entziehen, »schau nach, ob da jemand ist. Wenn ich recht habe, und das ein alter Damm ist, müßte es eine schmale Insel sein. Es würde mir gar nicht gefallen, wenn ich hinter dem Dickicht ein Haus oder einen Acker entdeckte.«
Der Krieger nahm sein Atlatl, seine Keule und seine Speere aus dem Boot und trottete los.
Otter watete zu Wellentänzer und holte Decken und einige versiegelte Krüge. Grüne Spinne nutzte die Gelegenheit, um mit Schnapper herumzutollen.
Otter legte Decken und Krüge auf dem Boden ab und winkte Perle. Sie kam mit der Vorsicht eines halbverhungerten Wolfsjungen heran.
»Setz dich bitte.« Otter deutete auf einen Platz und öffnete mit einer Ahle aus Hirschknochen das Wachssiegel eines Krugs. Er hatte sich den Pemmikan, eine Trockenobstmischung, im Gipfelclan eingehandelt, in weiser Voraussicht, wenn er einmal eine schnelle Mahlzeit brauchte.
Perle kniete nieder, und Otter gab ihr einen freundlichen Hinweis. »Du kannst jederzeit gehen, Anhingafrau. Doch du bist uns willkommen und kannst dich bei uns sicher fühlen.« Er reichte ihr den Krug. »Iß! Es sind getrocknete Trauben, Erdbeeren, Heidelbeeren und Himbeeren, haltbar gemacht mit einer Mischung aus feingeschnittenem Hirschfleisch und Bisonfett.«
Sie probierte, zog eine Grimasse, tauchte aber dann ihre schmale Hand noch einmal in den Krug.
»Warum sollte ich bei euch sicher sein?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht weil wir die Khota genauso hassen wie du … vielleicht sogar noch mehr.
Wir sind euch flußaufwärts gefolgt und haben die Geschichte deiner Gefangenschaft in den verlassenen Lagerstätten
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