Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
Vom Netzwerk:
Männer wären fast verbrannt, als sie Grüne Spinne aus den Flammen zogen. Er saß aufrecht, die Augen weit offen, sah und hörte aber niemanden. Es wurde berichtet, daß er geschrien hat: ›Du bist so wunderbar, ja, ja, ich komme. Ich fliege, fliege in die Spirale des Himmels…‹ Und dann fiel er tot um.«
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte Rundkorn verwundert.
    Großmutter räusperte sich, wie sie es immer tat, wenn sie die Familie wieder zur Vernunft bringen wollte. »Woher soll ich das wissen? Was ich euch erzählt habe, habe ich von Vier Gelbe Federn gehört.«
    Unruhe keimte in Otters Seele auf.

5. KAPITEL
    Das Abendfeuer knisterte und prasselte, und tanzende Funken stiegen in den sich verdüsternden Himmel. Perle saß schweigend auf dem verwitterten grauen Stamm einer Pappel. Der Fluß hatte den gefallenen Riesen den gewundenen Kanal hinunterbefördert, hatte ihm die Rinde mit derselben brutalen Kraft abgekratzt, mit der er ihm auch Äste und Zweige weggewaschen hatte.
    Perle blickte über das Feuer auf das ferne Ostufer und zog die Decke fest um sich. Hinter dem Fluß, jenseits der tosenden Wellen, lag die Freiheit.
    Perle beugte sich näher zum knisternden Feuer, um mehr von seiner Wärme aufzunehmen. Der Geruch von Hickory und Styraxbalsam lag in der Luft. Die nächtliche Finsternis bedrückte sie.
    »Alles in Ordnung?« fragte Grizzlyzahn, kam näher und setzte sich nieder.
    Perle nickte und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Grizzlyzahn war bestimmt nicht älter als zwanzig Sommer, und doch behauptete er, er habe zehn Feinde im Kampf getötet und außerdem einen großen Eisbären in einem wüsten Land im fernen Westen erlegt.
    Er sah aus wie der geborene Krieger, hatte scharfe Augen in einem Gesicht mit breiten Backenknochen und platter Nase. Der entschlossene Mund verriet nicht die Spur von Humor. Er trug ein wadenlanges Hirschfellhemd, das mit menschlichen Schneidezähnen, aber auch mit Reißzähnen von Luchs, Dachs und Fuchs verziert war. Große kupferne Ringe, die im Licht glitzerten, hingen an seinen Ohrläppchen. Sein schwarzes Haar trug er in einem Knoten oberhalb der Stirn zusammengebunden und hatte es mit einer Nadel aus dem Ellenknochen eines Hirschs festgesteckt.
    Die Grizzlyzähne, denen er seinen Namen verdankte, hingen zusammen mit langen Klauen an seiner Halskette.
    Nach allem, was sie wußte, waren Grizzlyzahn und ihr Verlobter, Wolf der Toten, in einer besonderen Zeremonie zu Brüdern geworden Perle schaute umher; sie haßte den dumpfen Schmerz in ihrer Seele. Die Gefährten von Grizzlyzahn, junge, starke, sehnige Männer, brieten sich auf den anderen Feuern Fische, Enten und einen Reiher, die sie am Tag erlegt hatten. Sie erzählten sich Witze in ihrer gutturalen Sprache und lachten.
    Gelegentlich sahen sie zu ihr herüber, und ihre schwarzen Augen schimmerten dabei im Schein des Feuers.
    Die Khota waren ein ansehnliches Volk, geschmeidig, hochgewachsen, mit breiten Gesichtern und schmalen, gebogenen Nasen. Sie trugen Schmuck aus Kupfer, Glimmer und Muscheln. Als Bekleidung bevorzugten sie zugeschnittene Felle oder grob gewebte Stoffe, die eher wie Matten aussahen und nicht wie die feinen Gewebe, an die Perle gewöhnt war. Wenn es kalt war, warfen sie sich Decken oder Pelzumhänge über die Schultern. Um die nackten Beine banden sich viele kreuzweise Fell- oder Stoffteile mit dünnen Lederriemen.
    Alle jungen Männer trugen ein Atlatl am Gürtel. Derart bewaffnet, stellten die Khota eine beachtliche Streitmacht dar. Darüber war Perle verwundert. Wozu brauchten sie vierzig ausgewachsene Krieger, bedrohlich bewaffnet, um den Fluß zu befahren? Andere Händler machten die Fahrt allein oder höchstens mit zehn Mann.
    Wen hatten die Khota zu fürchten? Und warum? Geschichten über ferne Völker hatten sie nie besonders interessiert. Aber nun störte sie das, denn in ihrer Ausbildung schienen ihr wesentliche Dinge entgangen zu sein.
    An diesem Morgen hatten sie die Einmündung ihres Flusses in den Westfluß passiert. So weit nördlich war sie schon einmal gekommen, doch als es weiter ging, war alles neu für sie. Sie wurde von dem Gefühl ergriffen, daß die Reise ein unvermeidliches Ereignis war.
    Wie würde sie mit diesen Leuten leben können? Dieses fremde Nordland - wie würde es dort sein?
    Irgendwo an einem nördlichen Ufer würden sich seltsam gekleidete Khota um sie drängen, sich schubsen, untereinander flüstern, während ihre Blicke sie abtasteten. Dann müßte sie

Weitere Kostenlose Bücher