Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen
angeht, so hat ihn schon einmal eine Liebe fast zerstört. Er wird leiden, Grüne Spinne, aber er wird dich haben, du wirst ihm helfen. Wirst du ihnen helfen?«
»Ich habe nie eine Wahl«, flüsterte er. »Vorne ist hinten, und das Innere kommt immer nach außen.«
»Gut«, sagte Perle, ohne zu verstehen, was er meinte. »Wir müssen aber noch etwas anderes bedenken. Diese Maske von Bunte Krähe …« Sie drückte fest seinen Unterarm. »Grüne Spinne, sieh mich an.« Er tat es, und sie fuhr fort: »Verrate mir, ob die Maske böse ist. Wenn sie es ist, sag mir auch, warum wir alle davon reden, unser Leben wegzuwerfen, um sie zu retten?«
»Sie ist nicht böse, Perle.«
Ein Seufzer der Erleichterung kam über ihre Lippen. »Seit jener Nacht im Lager des Prachttaucherclans habe ich darüber nachgedacht. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum du…«
Er neigte den Kopf und wirkte dabei so verletzlich, daß sie ihn gern getröstet hätte. »Ich tue mein Bestes, Perle.«
»Das weiß ich, Grüne Spinne, schon immer.« Sie war nervös. »Die Maske ist am wichtigsten, aber an zweiter Stelle kommst du. Du bist der Träumer, den die Macht erwählt hat. Du weißt, wie man mit der Maske umgeht, wohin man sie bringen muß. Danach kommen Otter und Schwarzschädel. Es stimmt, Schwarzschädel kennt die Menschen und die Flüsse nicht. Aber Otter ist ohne ihn so verletzlich. Und du weißt genausogut wie ich, daß Schwarzschädel die Maske - und alle anderen - beschützen kann, bis du sie wieder nach Hause gebracht hast.«
Sie holte tief Luft. »Die Khota sind meinetwegen hier. Sie wollen mich. Gut, sie können mich haben.«
Grüne Spinne schloß die Augen. »Und so kann die Entscheidung getroffen werden, ohne an die Leidenschaften des Herzens zu denken: Liebe, Haß, Verzweiflung. Das soll ich dir glauben?«
Sie fühlte, wie sie errötete, und senkte die Augen. »Nein, mein Freund, ich würde dich nicht anlügen.
Ich habe große Angst vor dem, was die Khota mir antun werden. Aber ich werde dir die Zeit verschaffen, die Maske zu retten, und du mußt verhindern, daß diese beiden heldenhaften Narren merken, was ich tue. Es würde ihnen ähnlich sehen, mich retten zu wollen… uns drei sterben zu lassen, während die Maske in die Vergessenheit stürzt. Grüne Spinne, so ein Unglück können wir uns nicht leisten, deshalb mußt du mir helfen.«
Der Mund von Grüne Spinne zitterte. Er starrte sie mit aufgerissenen Augen an. »Aber was wird aus deiner Seele, Perle? Die Khota werden ihr keine Heimat geben, sie wird auf immer umherstreifen müssen.«
»Ich bin bereits heimatlos«, erwiderte sie. »Ich werde sehr glücklich sein an den einsamen Orten, wenn ich mit den Hirschen rede, zu den Schneefinken flüstere und mit den Grillen singe. Als Geist werde ich all die Dinge sehen, die ich lebend nicht zu sehen bekam.
Außerdem«, sagte sie mit mattem Lächeln, »werde ich es hinnehmen, Grüne Spinne, denn ich habe diesen Tod ja aus freien Stücken gewählt.«
»Nur ein Feigling könnte so mutig sein«, flüsterte er.
Perle rieb sich die Stirn, ihre Hände waren kalt. »Das ist rückwärts. Nur der Mutige kann so feige sein.
Du solltest mein Herz fühlen - ich habe schreckliche Angst. Aber dieses Mal, Grüne Spinne, werde ich bereit sein für diese ekligen Maden, anders als beim ersten Mal.«
»Letztes Mal ging es nicht um einen langsamen Mord«, erinnerte sie der Verdreher.
»Letztes Mal rettete ich meinen Freunden nicht das Leben … oder dem Mann, den ich liebe. Ich werde tun, was ich tun muß. Wirst du auch tun, was du zu tun hast, Grüne Spinne?«
Seine Augen waren wieder ruhelos. »Niemals! Nein, nie! Und nie wieder! Alles ist verloren! Otter, Schwarzschädel und der alberne Verdreher, tot, tot! Nur Perle lebt in der Herrlichkeit des Lichts - des funkelnden, wunderbaren Lichts so vieler Farben.«
Perle führte seine Hand an die Lippen. »Danke, Grüne Spinne. Hättest du am Ilini nicht deine Wurzel verbrannt, hätte ich nie diesen Mut gefunden. Du hast mir sehr viel gegeben. Ich werde mich würdig erweisen, das verspreche ich. Du wirst stolz auf mich sein.«
Damit stand sie auf, lächelte noch einmal dem Verdreher zu und ging nachdenklich ins Lager zurück, wo Otter fest schlief.
Als sie wieder unter ihren Decken lag, bettete sie ihren Kopf auf seine Brust, um seinem Atem zu lauschen und den gleichmäßigen Rhythmus seines Herzschlags zu spüren.
»Hm?« sagte er verschlafen.
»Ich liebe dich einfach«, flüsterte
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