Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
ihrem Blut
wie aufgeschlitzte Mäuse. Zorn hat es vollendet.
Muschelweiß ging zu Rotalge und fragte ruhig:« Stützt du ihn?«
»Ja. Und jetzt übernimm du.«
Rotalge zog ihren Arm zurück und machte Muschelweiß Platz, die ihren Arm unter den von Teichläufer schob und seine Hand locker über ihre Schultern zog.
Teichläufer flüsterte: »Ich verspreche dir, dass du mich nicht mein ganzes Leben lang halten musst.«
»Und ich verspreche dir«, flüsterte sie zurück, »dass ich dich so lange stützen werde, wie du mich dafür brauchst.«
Seine Augen zeigten, wie tief bewegt er war; innig drückte er ihre Schulter. Liebevoll umfasste sie seine Hüften.
Rotalge betete stumm neben Muschelweiß, dass das Ritual bald anfinge. Muschelglanz und Schwarzer Regen hatten sich neben Teichläufer gestellt; sie sahen sich finster an und schmähten sich gegenseitig mit leiser Stimme. Rotalge fing nur Wortfetzen auf: Schamloses Flittchen …du bist eifersüchtig, hässliche Schwester …, während die Mitglieder des Kernholz-Clans einen Halbkreis um sie bildeten.
Schote hob Schweigen gebietend eine Hand, und die Menge verstummte. »Ich bin in euer schönes Dorf gekommen, meine Freunde, um die Heirat zu bezeugen zwischen der größten Kriegerin in der Geschichte, Muschelweiß vom Windeck-Clan, und dem Weißen Blitzjünger des Kernholz-Clans.« Er drehte sich um und wies mit großer Geste auf Muschelweiß und Teichläufer. Die Menge geriet außer sich, jubelnd und klatschend, und stampfte mit den Füßen. Kinder rannten im Kreis herum und kreischten vor Freude.
Das Getöse übertönend, schrie Mondschnecke: »Ich erbitte den Segen der Sonnenmutter für diese Verbindung. Möge sie uns allen Sicherheit und Glück bringen.«
Rotalge schaute zu ihrer Mutter hin. Das Gesicht von Schwarzer Regen zeigte Ärger, aber sie sah weder Mondschnecke noch Schote und nicht einmal Muschelglanz an. Ihre Augen hingen an Biberpfote, der die Hand seiner dicklichen Frau hielt. Als Biberpfote den Blick von Schwarzer Regen auffing, ließ er schnell die Hand seiner Frau los und kreuzte die Arme. Rotalge runzelte die Stirn; sie war verwundert. Wieder schaute sie auf ihre Mutter, und da sah sie, wie Schwarzer Regen triumphierend ihre spitzen weißen Zähne zeigte.
Schote und Mondschnecke kamen zusammen auf Muschelweiß und Teichläufer zu. Währenddessen entfaltete Schote die Ehedecke und schüttelte sie im Wind aus. Sie war in den heiligen Farben gefärbt, mit abwechselnd roten, gelben, schwarzen und blauen Streifen. Mondschnecke packte sie an zwei Ecken, und zusammen legten sie die Decke um die Schultern des Paares.
Jubelnd frohlockte die Menge, als Muschelweiß und Teichläufer sich umwandten und ins Meer wateten.
Teichläufer hielt die Hand von Muschelweiß fest umklammert, als der Wellengang ihn umzuwerfen drohte.
»Alles in Ordnung?« fragte sie sanft.
»Bis jetzt schon.«
»Halt dich nur fest an mir. Ich lasse dich nicht fallen.«
»Ja, ich halte mich sehr gern an dir fest«, gab er schüchtern zurück.
Muschelweiß führte ihn vorsichtig weiter, bis das kühle Wasser ihnen bis zur Brust reichte; dann drehte sie sich zu ihm um, nahm die nasse Decke von ihren Schultern und warf sie so hoch, wie sie konnte. Der Wind packte sie, peitschte sie herum und wirbelte sie wieder ins Wasser. Die Leute am Ufer riefen ihnen Glückwünsche zu und fingen an zu tanzen.
Muschelweiß nahm Teichläufers Gesicht in ihre Hände, sah ihm in die Augen und küsste ihn sanft auf die Lippen. Freude erfüllte ihn. Er sehnte sich danach, ihr ewig in die Augen sehen zu können. Die Blitzvögel in seiner Brust rumpelten leise, es klang seltsam, wie ein Kind, das weinte und einen unversiegbaren Tränenstrom aufzuhalten suchte. Teichläufer runzelte die Stirn und lauschte angestrengt. Fast konnte er einzelne Worte ausmachen. Nun begann es, richtig zu regnen, und die Tropfen stachen um sie herum punktförmig ins Wasser.
»Man erwartet, dass wir jetzt Zurückschwimmen«, sagte Muschelweiß. »Kannst du das?«
»Ich bin kein großer Schwimmer«, entgegnete er. »Im Wasser beschwere ich mich gewöhnlich mit Korallenbrocken und atme durch ein hohles Schilfrohr. Aber ich werd's versuchen.«
Sie schaute ihn prüfend an, von der Kapuze bis zu den langen blauen Ärmeln. »Vielleicht besser, wenn du es nicht versuchst. Ich sag dir was: Nimm den Saum deines Gewands in eine Hand, und mit der anderen hältst du dich an meinem Gürtel fest. Du lässt dich einfach gleiten, und
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