Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
Asche vergraben und köchelten im eigenen Saft.
»Ich weiß nicht, warum du dich sorgst, Tante«, sagte Rotalge. »Auch wenn die Gänse nicht rechtzeitig fertig werden, gibt's doch sonst noch eine Menge zu essen.«
Muschelglanz wischte sich die Stirn. »Wie kannst du nur so ruhig sein, Rotalge? Dein Bruder steht vor seiner Heirat.«
»Deswegen bin ich so ruhig. Lieber er als ich.« Rotalge sah von weitem ihre Großmutter kommen, und Teichläufer war bei ihr eingehakt. »Da kommen sie.«
»Wer?« stieß Muschelglanz hervor und wirbelte herum. »O Jammer, ist es schon so weit? Ist dir nicht warm, Rotalge? Mir ist noch nie im Leben so heiß gewesen, das schwöre ich dir.«
»Natürlich ist dir warm. Du hast dich den ganzen Tag über die Feuer gebeugt.«
»Ich verstehe dich nicht, Rotalge. Du müsstest nervös sein. Dein Bruder geht für immer fort, und du -«
»Nein, er geht nicht fort.«
Muschelglanz runzelte die Stirn. »Was redest du da? Windeck-Dorf ist -«
»Ich habe gehört, wie Großmutter mit Mutter gesprochen hat. Sie hat Schwarzer Regen gesagt, dass aufgrund der gültigen Abmachung beide Dörfer zusammenziehen werden. Wegen der Verteidigung.
Wir ziehen nach Norden, und sie ziehen nach Süden. Wir werden uns dann sicher irgendwo in der Mitte treffen.«
»Das hast du gehört? Warum hat mir Mutter das nicht erzählt?«
»Du warst mit dem Festessen beschäftigt.«
Muschelglanz seufzte und erwiderte grollend: »Das ist wahr. Was hat Mutter sonst noch erzählt? Sag's mir schnell, bevor die Zeremonie anfängt.«
Rotalge zuckte die Achseln. »Nicht viel. Sie hat gesagt, dass Windeck einverstanden ist, uns ein Viertel ihrer Nussernte zu geben, gegen ein Viertel unseres Katzenfischfangs. Ich finde das albern, da wir jetzt ohnehin in ein großes Dorf zusammenziehen.«
»Wirklich albern. Am Ende teilen wir doch alles gleichmäßig auf, so wie immer. Was sonst?«
Teichläufer grinste Rotalge an, als er näher kam. Er sah sehr gut aus. Sein bleiches Gesicht mit der spitzen Nase und den rötlichen Augen schien im Rahmen der dunkelblauen Kapuze zu glühen. Langes weißes Haar hing vorne über seine Robe. Der Saum schleifte über dem Boden, was ihn gelegentlich stolpern ließ, aber die Bögen der gewundenen Wellhornschneckengehäuse auf der Brust und den Ärmeln schimmerten stark und lenkten die Leute ab. Die Großmutter mit den kurzen grauen Haaren, die ihr über die Augen hingen, trug eine hellbraune Tunika voller gelber Herzmuschelschalen.
Rotalge war sich nicht sicher, wer wen stützte; manchmal schien Teichläufer Mondschnecke aufrecht zu halten, und manchmal mühte sich offenbar die Großmutter darum, Teichläufer auf den Beinen zu halten. Es war ziemlich erheiternd. Rotalge schaute in die Menge, ob andere wohl denselben Eindruck hatten. Da aber alle lächelten, war das nicht festzustellen. Die Leute sammelten sich hinter Teichläufer und folgten ihm bis zum Rand der Brandung, wo sie die Ankunft von Muschelweiß und Schote erwarteten.
»Also, dann komm mit«, sagte Muschelglanz und wischte sich die Hände an ihrem Gewand ab. »Wir stellen uns dazu. Wenn wir erst alle versammelt sind, dann dauert die Zeremonie nicht lang. Und danach kann ich mir wieder Sorgen wegen der Gänse machen.«
Rotalge lachte leise, und sie gingen zu der Stelle, wo die Brandung am Strand aufschlug, im schaumigen Gefolge Muschelschalen hinwarf und wieder zum Busen der Meerfrau zurückeilte. Ein Nieselregen fiel in leichtem Dunst.
Rotalge setzte sich an Teichläufers Seite, und er strahlte sie an, aber bevor sie etwas sagen konnte, senkte sich eine seltsame Stille über die Menge; die Leute stießen einander an, bis sich eine Gasse bildete. Darin schritt Schwarzer Regen, lächelnd wie ein Rotluchs, der den Hals eines Blaureihers im Maul hat.
Rotalge hörte, wie Biberpfote seiner dicklichen Frau Wasserträgerin zuflüsterte: »Heiliger Baumfrosch, was für eine hinreißende Frau.« Als Antwort stieß sie ihm den Ellbogen in den Bauch; wieder zu Atem gekommen, warf er ihr grimmige Blicke zu.
Schwarzer Regen war rot gekleidet, in ihrer Lieblingsfarbe, und spielte verführerisch mit ihrer Halskette aus Schildkrötenschale, die ihr zwischen den Brüsten hing. Ihr langes Haar, das sie aufgelassen hatte, wehte ihr anmutig übers Gesicht. Sie blieb vor Muschelglanz stehen und flüsterte:
»Stell dich irgendwo anders hin, mein Platz ist neben meinem Sohn.«
Muschelglanz lächelte und erwiderte: »Ich würde dich mit einer Schnur
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