Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
ich bring uns beide ans Ufer. Das merkt kein Mensch.«
Teichläufer streichelte ihren Arm liebevoll. »Du bist so lieb zu mir.« Er hob den Saum hoch, wie sie gesagt hatte, und schob seine Finger unter ihren Gürtel.
»Fertig?«
»Ja.«
Sie war eine kräftige Schwimmerin und machte weite, gleichmäßige Stöße. In dem kalten Wasser bekam er eine Gänsehaut. Er bemerkte, dass Schwarzer Regen auch ins Wasser gewatet war und sie beobachtete. Das schwarze Haar hing ihr kreisförmig rings ums Gesicht.
Muschelweiß sagte: »Deine Mutter ist sehr besorgt um dich.«
»Ja, aber nicht so, wie du denkst«, erwiderte er. »Wahrscheinlich fürchtet sie, ich könnte ertrinken, und dann müsste sie einen andern Weg finden, um ihre Schulden zu bezahlen.«
»Keine Sorge, du wirst nicht ertrinken. Wir sind fast da«, sagte Muschelweiß und stand im Wasser auf, das ihr nun bis zur Mitte der Oberschenkel ging. »Stell dich hin.«
Teichläufer folgte und fiel mit den Knien auf den Grund. Sie packte ihn am Arm und half ihm auf.
Seine Beine zitterten stark.
»Heilige Geister«, sagte er. »Mein nasses Gewand ist so schwer wie ein toter Walfisch.«
»Leg mir den Arm wieder über die Schulter.«
Muschelweiß zog ihn hoch und brachte ihn zum Strand. Die Leute tanzten um sie herum, schlugen ihnen auf den Rücken, als sie zur Ratshütte gingen, wo das Festessen wartete. Teichläufer atmete tief ein; er war verheiratet. Kein Junge mehr, sondern ein Mann. Er gehörte Muschelweiß, der größten Kriegerin seit Menschengedenken, und sie gehörte ihm. Ihm wurde leicht schwindlig. Nun würde er neue Verantwortung tragen. Die Menschen würden ihn anders behandeln und mehr von ihm erwarten.
Es war ein sehr erregender Gedanke.
Die Hochzeitsmatte war innen an der Nordwand ausgelegt worden. Muschelweiß half ihm, sich zu setzen, und ließ sich dann neben ihm nieder. Regen prasselte auf das Schilfdach, und der Wind blies ihn zuweilen in die Hütte hinein. Teichläufer wrang das Unterteil seiner Robe aus und lächelte.
Draußen gruben die Leute die Gänse aus der heißen Asche aus und befreiten sie von den schützenden Stofflagen; dann legten sie die großen Vögel in breite, flache Körbe. Dampf stieg auf und drehte mit dem Winde ab.
»Ist dir kalt?« fragte Muschelweiß.
»Nur ein bisschen.«
Aus dem Stapel gefalteter Decken, der immer neben dem nordwestlichen Stützpfosten bereitlag, nahm sie eine Decke und breitete sie über seine Schultern. »Besser so?«
Er zog sie sich dicht am Hals zusammen, und es wurde ihm wirklich wärmer. »Vielen Dank.« Er schob kühn eine Hand unter die Decke und verschränkte seine Finger mit denen von Muschelweiß. Sie zog ihre Hand nicht weg, und ein großes Glücksgefühl kam über ihn. Er drückte ihre Finger.
Mondschnecke bahnte sich mit Hilfe ihres Wanderstocks ihren Weg durch die Menge und ließ sich neben Muschelweiß niederfallen. »Bruder Erde sei Dank, die Gänse sind gar. Das habe ich Muschelglanz vorausgesagt. Sobald man euch aufgelegt hat, dürfen alle andern anfangen zu essen.
Und ich sag euch, die sind schon ganz gierig. Ich hab Wachtposten hier aufgestellt, als ihr draußen im Meer wart, sonst wäre wahrscheinlich bei eurer Rückkehr kein Krümel mehr übrig gewesen.«
Rotalge drängte sich mit zwei Schalen voller Essen herein, und Schote kam sofort mit zwei weiteren Schalen direkt hinterher. Rotalge setzte ihre Schalen vor Teichläufer hin und grinste ihn dabei an. Eine Schale war voll mit dampfendem Gänsebraten, gebratenem Katzenfisch und Kärpfling, und in der anderen waren Schildkröten- und Muschelsuppe. »Wie fühlst du dich?« fragte sie.
»Besser jetzt.«
Rotalge grinste.
Schote stellte seine Schalen daneben, die eine Fülle von Obst und Nüssen enthielten. Darauf kniete er sich neben seine Tochter und küsste sie sanft auf die Wange. »Du bist sehr schön, meine Tochter.«
Muschelweiß strich liebevoll über sein Haar und lächelte, und jetzt gewahrte Teichläufer zum ersten Mal den abwesenden, angstvollen Ausdruck in ihren dunklen Augen. »Vielen Dank für die hübsche Tunika, Vater. Du bist der beste Weber des Clans. Es ist deine Tunika, die mich so schön gemacht hat.«
Menschen drängten sich um die Hütte, füllten ihre Schalen mit Essen, lachten, applaudierten und schubsten sich gegenseitig, während sich auf der Plaza bereits ein Tanzkreis gebildet hatte. Krieger mit Gänsefleischbrocken in den Fäusten hopsten von einem Fuß auf den andern, immer wieder einen
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