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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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der Trauer überfiel sie. Nie mehr würden sie und Teichläufer durch die Wälder streifen und nach Gespenstern oder scheuen Erdgeistern in ausgehöhlten Bäumen Ausschau halten. Nie mehr würden sie zusammensitzen und sich ihre Geheimnisse, die sie tief im Herzen trugen, mitteilen. Mit wem würde sie fortan sprechen - und mit wem konnte sie nun ihre Sorgen teilen? Niemand kannte sie so wie Teichläufer.
    Geistesabwesend spielte sie mit ihrer klingelnden Muschelhalskette, und die Ältesten wandten sich nach ihr um. »Oh, tut mir Leid, Großmutter, bitte verzeih, ich habe so viel Feigentee getrunken - ich muss mal in den Wald laufen.«
    Mondschnecke sah sie misstrauisch an. Diese verdammte Alte - sie wusste immer, wann Rotalge log.
    Rotalge zappelte unruhig herum. »Wirklich Großmutter, ich muss mal -«
    »Also dann lauf«, sagte Mondschnecke. »Wenn du fertig bist, dann sieh zu, ob du deiner Tante beim Aufräumen noch etwas helfen kannst.«
    »Ja sicher, Großmutter. Gute Nacht, Geistälteste.«
    Schote und Schwemmstock nickten ihr zu, und Rotalge ging langsam den Strand hinauf zu dem Kieferngehölz hinter der nordöstlichen Ecke des Dorfs. Von der Plaza winkten ihr einige zu, und Rotalge winkte zurück. Sie sah Muschelglanz mit zwei anderen Frauen vor der Ratshütte knien und die Schalen mit Sand abscheuern. Ihr leises Lachen tönte zu ihr herüber. Alle unterhielten sich offenbar glänzend - alle außer ihr.
    Rotalge schlang die Arme um sich; sie fühlte sich so einsam. Aber was alles noch schlimmer machte - sie verstand ihre eigene Verstimmung nicht. Das musste doch alles so kommen. Leute heirateten. Auch ihr Bruder. Das war eben so. Aber sie nicht! Die Geister wussten: sie nicht! Und wenn sie weit fortlaufen müsste, um sich einem Wolfsrudel anzuschließen: Da wären sicher bessere Gefährten als jeder Mann, den ihre Mutter ihr aussuchen würde.
    Sie ging geradeaus weiter; ihre Sandalen füllten sich mit nassem Sand. Regentropfen taumelten auf Kiefernnadeln. Wenn der Wind durch die Äste strich, fielen die Tröpfchen glitzernd und schimmernd weich auf den Waldboden.
    Der Pfad, der nördlich zum Teich führte, aus dem sie ihr frisches Wasser holten, fing gerade vor ihr an, und Rotalge ging darauf zu. Auf dem Pfad standen so helle Pfützen, dass die schwarzen Äste sich scharf darin spiegelten. Rotalge betrachtete das Spiegelbild, als sie darum herumging, aber sie vermied es, den Pfützen zu nahe zu kommen, um nicht ihre eigene Seele sehen zu müssen. Das wollte sie nicht.
    Vielleicht sah sie so zerrissen aus, wie sie sich fühlte, und sie wusste nicht, ob sie das ertragen konnte.
    Seufzend ging sie vom Wege ab, duckte sich unter einem Eichenast - und hörte Gelächter.
    Durch das Gewirr der Zweige sah sie Biberpfote lächelnd über ihrer Mutter stehen. Schwarzer Regen lag nackt auf dem Boden, und ein anderer Krieger lag halb auf, halb neben ihr. Rotalge sah sein Gesicht nicht, nur seinen Rücken, vermutete jedoch, es könnte der junge Kahlhecht sein, Biberpfotes bester Krieger.
    »Siehst du?« flüsterte Biberpfote. »Habe ich dir zu viel versprochen? Ist sie nicht hinreißend?«
    Ihre Mutter lachte; Biberpfote kniete sich neben sie und biss sie in ihre nackten Brüste. Sie sagte:
    »Mach zu, Kahlhecht, ich komme schon wieder.«
    Rotalge trat schnell zurück, mitten in eine Fächerpalme. Die Wedel schlugen zusammen.
    Schwarzer Regen keuchte. »Biberpfote! Sieh nach, wer das ist.«
    Rotalge rappelte sich auf und rannte mit aller Kraft um die Pfützen herum und über Bruchholz hinweg.
    Biberpfote jagte ihr ein Stück hinterher, gab aber dann lachend auf und brüllte: »Verschwinde von hier! Pack dich!« Rotalge verbarg sich hinter einem Lianengewirr und sah, wie er sich umwandte und schrie: »Alles in Ordnung, Schwarzer Regen. War bloß so ein Rotzjunge. Ich hab ihn weggejagt. Ist Kahlhecht endlich fertig? Wird schon spät, ich muss jetzt heim zu meiner Frau.«
    Die Sonnenmutter glitt eben über den Horizont und verströmte ihr Licht in die Hütte, in der Tauchvogel flach auf dem Rücken lag, die Hände über dem Bauch gefaltet. Die Stofftaschen und Körbe, die an den Dachpfosten schwangen, leuchteten wie mit flüssigem Bernstein übergossen. Der armselige kleine Mann namens Wurzelkrebs kniete neben Tauchvogel, sein Totenkopfgesicht voll unzähliger tiefer Falten, sein kahler Kopf voller Altersflecken. Er trug ein verblichenes blaues Gewand. Hinter ihm stand Kupferkopf mit gekreuzten Armen, mit der Schulter an

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