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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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sie am sichersten.
    Er kippte den Kopf nach hinten, um aufs Meer zu blicken. Das Wasser leuchtete mattgrau wie Möwenflügel in der Abenddämmerung. Die Schaumbedeckten Wellen rasten auf den Strand und hinterließen weiße Linien, die sich über den Sand schlängelten, wenn das Wasser zurückflutete.
    Kupferkopf zog die Puppe fester an seine bloße braune Brust und versuchte, in dem kleinen knochigen Körper eine Spur des kraftvollen jungen Mannes zu finden, der er einst gewesen war. So hatte er viele Nächte verbracht, abwesend auf die Welt draußen starrend, während er innerlich einen verzweifelten Kampf ausfocht. In seinem eigenen Körper konnte er keine heile Stelle mehr finden. All die geheimen, geheiligten Stellen waren vor langer Zeit geschändet worden, und seine Seelen waren geflohen. Wie verängstigte Vögel waren sie mondelang herumgeflogen, atemlos, zu furchtsam, um irgendwo zu rasten. Niemand hatte es verstanden. Man hatte sich zugeflüstert, er sei wahnsinnig geworden. Und dann, eines Nachts in seiner Einsamkeit, hatte er die Puppe gefunden. Sie hatte eingewickelt in einem Korb in ihrer beider Hütte gelegen, mit schön gravierten Haarnadeln besteckt und mit Halsbändern geschmückt. Mit Dingen, die er ihr geschenkt hatte -und die er alle weggeworfen hatte. Die Puppe hatte er an sich genommen. Von diesem Augenblick an hatten seine Seelen in einer Glitzerwelt gelebt, in einer Welt dunstbedeckter Hügel und Feuerbestrahlter Abende, mondlicht-spiegelnder Augen und liebender schenkender Hände, die sich umklammerten. In einer Welt, die es nicht mehr gab.
    Außer in der Puppe.
    Als er die Puppe aus dem Korb genommen und an sein Herz gehalten hatte, war es ihm möglich gewesen, in den Körper seines Selbst in der Kindheit einzutreten, eines Selbst, das jung und mutig gewesen war, das er für viele zehnmal Sommer geschützt und gepflegt hatte. Die Seelen dieses Jungen waren nicht gestorben, sie waren stark und lebensvoll, und eine Zeit lang hatte er sich sicher gefühlt.
    Aber das dauerte nicht an.
    Jene helle Welt löste sich plötzlich in nichts auf, und dann ertappte er sich wieder, wie er auf diese hiesige Welt blickte, diese kalte, leere, einsame Welt. Und dann hatte er Angst.
    Kupferkopf steckte die Puppe unter den Arm, um sie warm zu halten, und zog sich die Decke über die Schultern. Er sollte die Puppe wieder in den Korb zurücklegen, das wusste er, aber er brachte es nicht fertig. Noch nicht. Er musste die Puppe doch beschützen, damit niemand ihr etwas antun konnte. So hatte er es gehalten während vieler Zeitspannen von jeweils zehn Sommern. Die Puppe konnte sich auf ihn verlassen, doch Kupferkopf selbst hatte niemanden.
    Muschelglanz stand am Rand des Hüttenraums und rang die Hände. »Die Gänse werden bestimmt nicht mehr rechtzeitig fertig, das sehe ich schon. So riesige Vögel. Ich weiß nicht, warum Mutter diese Heirat so überstürzt hat. Hätte sie mir doch zwei Tage vorher Bescheid gesagt, dann hätte ich das Festessen schön vorbereiten können, aber nein! Teichläufer musste nach der Verhandlung im Handumdrehen verheiratet werden. Wahnsinn, so etwas. Außerdem wird's regnen.«
    Von weit her wehten dunstige graue Schleier über die glatte Oberfläche des Meeres auf den Strand zu.
    Die Sturmfrau hatte eine dichte Wolkendecke über die Welt gezogen, und das ferne Donnergrollen wetteiferte mit dem Dröhnen der Brandung. Schon spürte Rotalge einzelne Tropfen auf dem Gesicht, kühl und erfrischend.
    Sie sah ihre Tante an. Mehr als zehnmal zehn Menschen sammelten sich auf der Plaza rings um die Hütte. Muschelglanz schaute immer wieder voller Unruhe auf die Menge. Sie hatte ihre beste hellgrüne Tunika angezogen, ihr Haar zu einem Knoten zusammengebunden und mit einer gespitzten Hunde-Elle festgesteckt. Hinter ihr loderte ein großes Feuer, das in der Brise krachte und spuckte.
    Mehrere Frauen kümmerten sich um die Kochkörbe, die mit Knochenpulver verdickte Schildkröten-und Muschelsuppe enthielten. Lieblich riechende Kürbisstücke schwammen obenauf, und eine Fülle verschiedener Pilze brodelte an den Rändern. Gebratene goldene Glanzfische und winzige Kärpflinge lagen gehäuft in einer Holzschale in Feuernähe, um warm zu bleiben. Über der Glut dampften Dutzende von Palmbeerenküchlein in großen Muschelschalen. Um das Feuer herum standen überall Körbe, randvoll mit Dattelpflaumen, Hickorynüssen, Kaktusfeigen, Holunderbeeren und Piniennüssen.
    Die Gänse, lagen tief in der heißen

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