Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille
zusammen, Kriegshäuptling«, sagte Weißer Stein. Er schaute unbehaglich zurück. »Und die andern brauchen Zeit, um uns einzuholen. Wir sollten rasten.«
»Was… was hast du gefunden?« fragte Spannerraupe.
Weißer Stein deutete auf das ansteigende Gelände. »Ich hatte Angst, sie könnten von dort kommen. Das Tal verengt sich nach Süden. So wie der Felsen über dem Tal hängt, können wir ihn nicht überklettern. Wer immer nach Süden will, muß durch diesen Hohlweg. Und der gefällt mir ganz und gar nicht.«
»Können wir ihn umgehen?«
»Das dauert bestimmt einen Tag, wenn nicht zwei.« Weißer Stein schüttelte den Kopf. »Wenn die Feuerhunde hier einen Hinterhalt legen…«
Spannerraupe schaute mit zugekniffenen Augen nach Süden. Das Tal war wie ein großer Trichter, und die verwitterte Sandstein-Deckschicht beherrschte die Höhen. Eine ganze Weile stand er da und schaute nur.
»Hier, Kriegshäuptling, trink etwas Wasser. Du hast es nötig.«
Weißer Stein hob ihm den Wasserschlauch an die Lippen. Das erste einströmende Wasser war wie ein von den Thlatsinas gespendeter Segen; es lief brennend durch seine trockene Kehle und schoß wie ein kalter Guß in seinen heißen Bauch. Spannerraupe nahm gierig noch einen Schluck… und noch einen, bis ihm Weißer Stein den fast leeren Wasserschlauch wegnahm.
Spannerraupe wischte sich die Lippen, nun wieder imstande, tief Luft zu holen. Einige seiner Krieger hatten ihn eingeholt und standen vornübergebeugt, keuchend. »Vielen Dank, Weißer Stein.« »Du verlangst zuviel von dir und uns, Kriegshäuptling«, murmelte Weißer Stein und betrachtete weiter die Klippenränder.
»Dann sag mir, alter Freund«, entgegnete Spannerraupe, »was würdest du tun, wenn du in meinen Sandalen liefst?«
»Genauso rennen wie du.« Seine Lippen zuckten. »Ich danke meinen Ahnen, daß ich nur ein Spurenleser bin.«
Das Wasser hatte die erschlafften Muskeln von Spannerraupe mit der Kraft eines Blitzes wieder aufgeladen. Unmutig schaute er auf die Kette der Krieger, die über die Ebene wankten. War er wirklich so schnell gelaufen, daß sie nicht mithalten konnten?
»Also dann weiter. Haltet euch dicht beieinander. Weißer Stein, du gehst voran. Beim ersten Anzeichen einer Falle rufst du!«
Sie setzten sich in Marsch und drangen langsam in das Tal ein. Besorgt suchten sie die Höhen nach einem hochschießenden Kopf ab, nach einem erschreckten Vogel, nach irgend etwas Ungewöhnlichem.
Spannerraupe blickte zurück auf seine verstreut laufenden Krieger in der Ebene. Wie hatten die Feuerhunde samt ihren Gefangenen eine solche Entfernung nur so schnell zurücklegen können? Weil sie ausgeruht waren und gut genährt und weder einen Tagesmarsch mit einem Leichenzug nach Süden gemacht hatten noch anschließend einen Tag lang nach Westen gelaufen waren, um die Spur ihrer Feinde zu finden, bevor sie dann vor zwei Tagen nach Süden eingeschwenkt waren.
Spannerraupe betete darum, daß die Feuerhunde nicht mit seiner zügigen Verfolgung rechneten und zur Zuflucht ihrer fernen Berge eilten, statt ihm hier an dieser Enge aufzulauern.
Den Spuren zufolge hatten die Feuerhunde fünfzig oder sechzig Krieger dabei und dazu noch etwa dreißig Personen, die sie aus Krallenstadt mitgenommen hatten. Dank der unverwechselbaren Fußabdrücke der Mokassins und Sandalen des Volks des Rechten Wegs war es leicht, die Spuren auseinanderzuhalten. Er konnte nur schätzen, daß etwa zwanzig dieser Abdrücke von befreiten Sklaven stammten. Die restlichen gehörten dann Gefangenen.
Spannerraupe blieb stehen und starrte auf den vor ihm liegenden Weg, der an dieser Stelle nur ein von Felswänden eingefaßter Schlitz war - ideal für einen Hinterhalt.
Ich darf keinen Fehler machen…
»Weißer Stein? Warte!« Spannerraupe trottete zu seinem Pfadfinder, der besorgt die Felsen und das Gestrüpp betrachtete. Nur fünfzehn seiner besten Krieger waren in nächster Nähe. Die andern würden eine halbe Zeithand benötigen, um aufzuholen. »Ich brauche einen Freiwilligen, der allein da durchgeht und prüft, ob der Weg frei ist, und wenn ja, ruft er uns das zu.«
»Das mache ich.« Doppelstern trat vor. Auch er schien am Ende seiner Kraft zu sein, grinste jedoch. Er war kleinwüchsig und hager, zwei Vorderzähne fehlten ihm, und die anderen Zähne, gelb und abgenutzt, würden ihnen sicher bald folgen. »Noch hat kein Feuerhund einen Pfeil geschnitzt, der mein Fleisch findet.«
»Mögen die Thlatsinas dich
Weitere Kostenlose Bücher